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Autoindustrie
Chinesischer Automarkt bricht ein – Coronavirus wird zum Problem für die deutschen Hersteller

Der Ausbruch des Coronavirus verschärft die Krise unter den Autobauern und -händlern auf dem für sie wichtigsten Absatzmarkt China. Auch deutsche Autobauer spüren die Folgen.

13.02.2020 | von Sha Hua und Stefan Menzel

Eine Autoverkäuferin mit Schutzmaske © dpa

Peking, Düsseldorf Sorgen um die Auswirkungen des Coronavirus setzen dem ohnehin schwächelnden Automarkt in China zusätzlich zu. Die Autoverkäufe in China sind im Januar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 Prozent auf nur noch 1,61 Millionen Fahrzeuge eingebrochen, wie der chinesische Verband der Automobilhersteller (CAAM) an diesem Donnerstag mitteilte. Es ist der größte Rückgang seit Januar 2012.

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Für die ersten zwei Monate des Jahres schätzt der chinesische Verband für Personenwagenhersteller (PCA), dass die Zahlen sogar um 30 Prozent fallen könnten. Der Ausbruch des Coronavirus verschärft damit die Krise unter den Autobauern und -händlern auf dem für sie wichtigsten Absatzmarkt.

Bereits im vergangenen Jahr waren die Absatzzahlen in China aufgrund des Handelskrieges mit den USA und einer schwächelnden Konjunktur geschrumpft. Der Virus-Ausbruch könnte auch die Nachfrage bei deutschen Herstellern wie BMW und Daimler schwer treffen.

Am Freitag wird der Volkswagen-Konzern seine weltweiten Verkaufszahlen für den Januar veröffentlichen – und damit auch für den Fahrzeugabsatz in China.

VW ist Marktführer auf dem größten Automarkt der Welt und kann sich dem grundsätzlichen Branchentrend nicht entziehen. „Das Verkaufsergebnis in China wird nicht sonderlich erfreulich ausfallen“, hieß es am Donnerstag aus Unternehmenskreisen in Wolfsburg.

Bei Volkswagen in China sollen in dieser Woche nach und nach die einzelnen Autowerke wieder in Betrieb gehen. Der Wolfsburger Autokonzern betreibt dort mit lokalen chinesischen Partnern insgesamt 23 Fabriken. VW hat seine Produktion im nordchinesischen Changchun und rund um die Metropole Schanghai konzentriert.

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In Changchun ist die Lage für Volkswagen wegen der größeren Entfernung von einigen Tausend Kilometern zum Zentrum der Corona-Epidemie in der Provinz Hubei einfacher. Schanghai wiederum ist davon nur einige Hundert Kilometer entfernt. Dort ist es viel schwieriger, wieder eine Fahrzeugfertigung unter normalen Bedingungen anlaufen zu lassen.

„Wir sind in täglichem Kontakt mit unseren Kollegen in China“, sagte Daimler-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer auf dem Branchentreff „Car-Symposium“ in Bochum. Die Auswirkungen auf deutsche und europäische Produktionsstätten des Daimler-Konzerns seien noch nicht absehbar.

Noch sei die Versorgung mit Zulieferteilen aus China gesichert, allerdings könne niemand zum jetzigen Zeitpunkt sagen, wie lange die Vorräte reichen würden. Gewissheit gebe es erst dann wieder, wenn sich die Lage in China stabilisiere.

Entscheidend werden Februar und März

Für die deutschen Autohersteller ist China der wichtigste Einzelmarkt. Im vergangenen Jahr haben sie ihren Absatz dort noch gesteigert – trotz der Schwäche des chinesischen Gesamtmarktes. Robin Zhu, Analyst bei Sanford C. Bernstein, schätzt aber, dass die Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen und Premiummodellen dieses Jahr am stärksten schrumpfen.

Diese Fahrzeuge würden hauptsächlich in großen Städten vertrieben, die von den Beschränkungen durch das Coronavirus am stärksten betroffen seien. Im Vergleich zum Vorjahr brach die Zahl der verkauften Elektroautos bereits im Januar um 54 Prozent ein. Im Februar könnte das Ergebnis sogar noch schlechter ausfallen, schätzt UBS Auto-Analyst Paul Gong. Er geht davon aus, dass sich die Nachfrage nach Neuwagen halbieren könnte.

Dass die Verkaufszahlen im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat deutlich zurückgehen würden, hat Branchenbeobachter überhaupt nicht überrascht.

Wegen des um zwei Wochen verschobenen chinesischen Neujahrsfestes war von vornherein klar, dass der Fahrzeugabsatz in der Volksrepublik mit einer zweistelligen Rate schrumpfen würde. Viel entscheidender für die gesamte Branche ist jedoch die weitere Entwicklung in Februar und März.

Die Probleme entstehen jetzt, weil die eigentlich erwartete Erholung bei den Verkaufszahlen nicht einsetzt. „Der Februar ist nun verloren“, sagte Chris McNally vom Investmenthaus Evercore ISI.

Verkäufe und Fahrzeugproduktion könnten in diesem Monat um 50 bis 60 Prozent zurückgehen. Die weitere Entwicklung im März sei noch völlig unklar. Im ersten Quartal könnte der Rückgang im Vergleich zur Vorjahresperiode zwischen 25 und 30 Prozent liegen.

Unternehmen wie Tesla, Toyota oder der deutsche Marktführer Volkswagen hatten bereits über mögliche Betriebsstörungen gewarnt: Zum einen wiesen sie auf Unterbrechungen in der Lieferkette hin, zum anderen würden für viele Mitarbeiter, die während des chinesischen Neujahrsfestes zu ihren Familien gefahren waren, noch immer Reisebeschränkungen gelten.

Nur ein Drittel der von CAAM erfassten Produktionsstätten haben am Dienstag ihren Betrieb wieder aufgenommen. Die meisten Läden blieben aber auch diese Woche geschlossen. Händler versuchten stattdessen, einen Großteil ihrer Arbeit online zu erledigen.

Der Verband CAAM schätzt, dass der Virus-Ausbruch insgesamt zu Produktionsausfällen von einer Million Fahrzeugen führen könnte. Der Zulieferer Aptiv kündigte bereits vergangene Woche an, dass im ersten Quartal des Jahres mit einem Produktionsrückgang von 15 Prozent gerechnet werden müsse. Analyst Paul Gong rechnet bei weiteren Verzögerungen sogar mit 20 Prozent Ausfällen.

Verband warnt bereits vor Unternehmensinsolvenzen

Auch viele Zulieferer mussten in den vergangenen Wochen die Produktion einstellen. Rund um Wuhan bleiben die Fabriken weiterhin geschlossen, ebenso in der vom Virus besonders betroffenen Provinz Hubei. Hier blieben die Werke von Autobauern wie Dongfeng, Honda und General Motors geschlossen, genau wie die von Zulieferern wie Adient, Visteon, Tenneco und BorgWarner.

CAAM warnte sogar davor, dass einige Zulieferer in den Konkurs gehen könnten. Auf Anfrage des Handelsblatts wollten sich nur wenige der in Hubei ansässigen Zulieferer zu den Auswirkungen des Virus-Ausbruchs äußern. „Wir beobachten die Situation gerade sehr genau“, hieß es zumindest von der Visteon-Pressestelle.

Adient teilte mit, nichts kommentieren zu wollen, „aus strategischen Gründen und aus Rücksicht auf unsere Kunden“. BorgWarner schrieb lediglich, dass man in einer „ruhigen Phase vor der Bilanz-Bekanntgabe“ sei.
Tatsächlich fällt es sowohl den Konzernen als auch den Analysten noch schwer, eine präzise Einschätzung über das Ausmaß der Krise abzugeben.

Die Anzahl der infizierten Menschen in China wächst weiterhin von Tag zu Tag. Erst an diesem Donnerstag stieg die Zahl offiziell gemeldeter Todesopfer auf mehr als 1300, die Zahl der bestätigten Neuinfektionen auf mehr als 15.000. Allein in Hubei sind nun offiziell rund 48.200 Menschen infiziert – auch weil die dortige Gesundheitskommission nun andere Nachweis-Methoden für die Lungenkrankheit nutzt.

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