Neue Verpackungspflicht Sushi, Salat und Coffee to go: Gastronomen hadern mit Mehrweggeschirr
Ab 2023 müssen alle Getränke und Speisen in Einwegplastik auch im Mehrwegbehälter angeboten werden. Viele Betriebe haben eigene Systeme entwickelt. Das erschwert die Rückgabe.
30.12.2022 | von Katrin Terpitz
Mehrwegbecher bei Burger King © obs
Düsseldorf Einwegverpackungen für Speisen und Getränke verursachen riesige Müllberge. Stündlich werden allein in Deutschland rund 320.000 Einwegbecher für heiße Getränke verbraucht, davon bis zu 140.000 kunststoffbeschichtete „Coffee to go“-Becher, so das Bundesumweltministerium. Einweggeschirr und To-go-Verpackungen erzeugten 2017 mehr als 346.000 Tonnen Abfall, ermittelte die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung.
Ab 1. Januar müssen Restaurants, Cafés, Caterer, Kantinen, Lieferdienste, Supermärkte und Tankstellen auch Mehrwegbehälter anbieten und wieder zurücknehmen. Betroffen sind alle vorverpackten Speisen und Getränke zum Sofortverzehr oder zum Mitnehmen, die vom „Letztvertreiber“ befüllt werden.
Diese Pflicht gilt bei Einweg-Getränkebechern aus allen Materialien und bei Essensboxen mit Plastik. Aluschalen oder reine Pappschachteln für Pizza oder Burger fallen nicht darunter. Die Mehrwegalternative darf dabei nicht teurer sein als das Produkt in der Einwegverpackung.
Die Umstellung stellt Gastrobetriebe und Lebensmittelhändler vor logistische Herausforderungen. „Die Vorbereitungen sind eher schlecht, trotz des langen Vorlaufs. Das dreckige Geschirr muss ja zurückgenommen und gereinigt werden. Das ist nicht trivial“, sagt Barbara Metz, Hauptgeschäftsführerin der Deutsche Umwelthilfe (DUH).
Ausgenommen sind deshalb kleine Geschäfte wie Imbisse und Kioske mit maximal fünf Beschäftigten und einer Verkaufsfläche von nicht mehr als 80 Quadratmetern. Diese müssen auf Wunsch mitgebrachte Gefäße der Kunden befüllen. Die Novelle des Verpackungsgesetzes setzt die EU-Richtlinie für Einwegkunststoff um.
Verpackungspflicht 2023: Flickenteppich von Mehrwegsystemen
Zum Inkrafttreten zeichnet sich ein Mehrweg-Flickenteppich ab. Die DUH kritisiert, dass viele Ketten eigene Systeme entwickelt hätten, obwohl es etabliertes Mehrweggeschirr von Anbietern wie Recup, Vytal und anderen gebe. Insellösungen erschwerten die Rückgabe und machten Mehrweg unattraktiv. Deshalb fordern die Umweltlobbyisten eine Abgabe von mindestens 20 Cent auf Einweggeschirr.
Die großen Lebensmittelhändler konnten sich nicht auf ein einheitliches Angebot einigen. Der Edeka-Verbund bietet seinen rund 3500 selbstständigen Händlern mit Regood nun ein eigenes Pfandsystem für den Außer-Haus-Verzehr an. Mehrweggeschirr für Gerichte und Getränke von der heißen Theke, Salatbar, Backshop oder Gastrobetrieb können nach Gebrauch bei teilnehmenden Märkten von Edeka und Marktkauf zurückgegeben werden. Die Händler reinigen diese dann.
Auch Edeka-Konkurrent Rewe plant ein eigenes System. Es sei für andere ausgewählte Anbieter offen, bisher seien etwa Lekkerland und Nahkauf Partner. „Selbstverständlich ist es in unserem Interesse, wenn sich zukünftig weitere Händler an der Mehrweglösung beteiligen, damit Kundinnen möglichst viele Rückgabestellen haben und Mehrweg eine hohe Akzeptanz findet“, so Rewe.
„Um Einweg zu vermeiden, braucht es unternehmens- und am besten branchenübergreifende Systeme – ähnlich wie es bei Pfand-Glasflaschen schon seit Jahrzehnten funktioniert“, meint Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft der DUH. Separate Mehrwegsysteme zwingen Kunden, ihr gebrauchtes Geschirr in derselben Kette abzugeben. Damit steigt die Chance, dass sie dort wieder kaufen. Wer nur selten vorbeikommt, dürfte aber eher zu Einweg greifen.
Müll mit Einwegbechern © imago/Winfried Rothermel
Auch McDonald’s bietet eigene Mehrwegbecher für Getränke und Eis an – für den Verzehr vor Ort und unterwegs. Pro Verpackung sind zwei Euro Pfand fällig. Eine Ausweitung des Mehrwegangebots auf andere Speisen plant die Fast-Food-Kette aktuell nicht, denn bereits jetzt sei „eine Vielzahl von Anpassungen in den Abläufen der Restaurants erforderlich“.
In Frankreich dagegen serviert McDonald’s ab Januar auch Pommes und Burger in wiederverwertbaren Schalen aus Hartplastik. Fast-Food-Anbieter sind dazu ab 2023 für den Verzehr vor Ort verpflichtet.
Mehrweg-Pfandsystem: Pfand oder Ausleihe per App
Andere Gastronomen setzen dagegen auf bereits etablierte Systeme. Ab Januar sind in allen deutschen Burger-King-Restaurants Getränke, Milchshakes und Eis im Mehrwegbecher von Recup gegen Pfand bestellbar. Die wiederverwendbaren Becher und Schüsseln nutzen auch Aral-Tankstellen und die deutschen Ikea-Filialen. Die Behälter können an über 16.500 Ausgabestellen abgegeben werden.
„Mehrweg muss so komfortabel wie möglich sein“, betont Burger King. Der operative und finanzielle Aufwand für die Einführung eines Mehrweg-Pfandsystems sei jedoch nicht zu unterschätzen. Alle Restaurants mussten mit Spülmaschinen ausgestattet werden.
>> Lesen Sie hier: Mehrweg-Pflicht belebt Start-up-Szene – Recup gewinnt Ikea als Kunden
Die Fischrestaurantkette Nordsee nutzt Geschirr von Relovo ohne Pfand. Die Ausleihe funktioniert per Smartphone. Der Kunde zahlt eine „Klimagebühr“ von zehn Euro je Schale und fünf Euro je Becher nur, wenn er die 14-tägige Ausleihfrist überzieht.
Ähnlich funktioniert das Mehrwegsystem von Vytal. „Es ist Wahnsinn, welchen Rückenwind unser Geschäft in den letzten Monaten erfahren hat“, sagt Mitgründer Tim Breker. Über 3500 Gastro-Betriebe wie Backwerk und Kantinen von 14 Dax-Konzernen nutzen Vytal.
Mehrwegschüssel mit QR-Code © obs
Allerdings umgehe mancher Gastrobetrieb die neuen Pflichten, kritisiert Fischer von der DUH. „Jedes Schlupfloch wird genutzt, um einen großen Bogen um Mehrweg zu machen.“ So hat etwa Burger King seine zuvor beschichteten Salatboxen auf 100 Prozent Papier umgestellt. Dafür sind keine Mehrwegbehälter anzubieten.
Statt generell auf Mehrweg umzustellen, setzen Systemgastronomen lieber auf Recycling von Einwegbechern. McDonald’s will unter anderem mit dem Bundesverband der Systemgastronomie ein flächendeckendes Sammelsystem etablieren. Ein Pilotprojekt startete im Herbst in Fulda. In der Fußgängerzone wurden Sammelbehälter mit der Aufschrift „It’s your Part“ aufgestellt. Aus den Papierbechern soll Recyclingpapier werden.
Mehrweggeschirr in der Gastronomie: Ausnahmen für kleine Filialen von großen Ketten?
Am neuen Mehrwegangebot dürfte indes so einiges für Kunden verwirrend sein. So gilt die Pflicht nicht für Kunststoffbehälter, die ein Dritter mit Ware befüllt und anliefert – zum Beispiel nicht für fertig abgepackte Salate, die Supermärkte lediglich verkaufen. Für ihre Salatbar zum Selbstbedienen hingegen müssen Händler Mehrwegbehälter anbieten.
Nicht ganz klar scheint auch, welche Anbieter genau unter die Ausnahme fallen. Die DUH interpretiert das Gesetz so, dass auch Ketten wie Bahnhofsbäcker oder Kinos Mehrweggeschirr anbieten müssen. Bei großen Unternehmen gehen Behörden davon aus, dass sie die finanziellen und räumlichen Herausforderungen stemmen können.
Der Gastrobetrieb Eat Happy kommt nach gründlicher Prüfung der Sach- und Rechtslage zum Schluss, dass er unter die Ausnahmekriterien fällt. Das Unternehmen mit Zentrale in Köln stellt in rund 1000 Supermarktfilialen hierzulande vor Ort frisches Sushi her.
„In den Eat-Happy-Shops ist es aufgrund der geringen Größe von zum Teil nur zehn Quadratmetern und der geringen personellen Besetzung in der Regel nicht möglich, dass verschmutzte Mehrwegbehältnisse in direkter räumlicher Nähe zu frisch zubereitetem Sushi gelagert und gereinigt werden“, teilt die Firma auf Anfrage mit. Das habe der Gesetzgeber aufgrund der Hygienevorgaben auch nicht gewollt. Kunden könnten ab Januar ihre Produkte in eigenen Mehrwegbehältern frisch vor Ort befüllen lassen.
Welche Ketten mit kleinen Filialen Mehrweg anbieten müssen, dürfte in einigen Fällen noch zu klären sein. Die DUH will ab Januar die Umsetzung des Gesetzes stichprobenhaft überprüfen. „Als klageberechtigter Verband werden wir Verstößen nachgehen“, sagt Hauptgeschäftsführerin Metz. Es drohen Bußgelder bis zu 10.000 Euro.