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Nahrungsmittel
Mahlzeit aus der Flasche: Nestlé steigt bei YFood ein

Der Schweizer Konzern erwirbt einen Minderheitsanteil an dem Münchner Food-Start-up. Der Einstieg bei Ankerkraut hatte etliche Kunden und Influencer verprellt.

28.02.2023 | von Katrin Terpitz

Noel Bollmann (li.) und Ben Kremer © YFood

Düsseldorf Der Konsumgüterkonzern Nestlé will weiterhin in deutsche Food-Start-ups investieren. Die Schweizer haben einen Minderheitsanteil an YFood Labs erworben, wie am Dienstag bekannt wurde. Das Münchener Start-up verkauft vollwertige Mahlzeiten in Form von Drinks, Pulvern und erhitzbaren Bowls. Seit 2017 vermarktet es seine Produkte erfolgreich als „ausgewogene Alternative zu Fast Food“.

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Die beiden Gründer Ben Kremer und Noel Bollmann halten nach dem Einstieg von Nestlé unverändert die Mehrheit an der Firma, erklärte YFood auf Anfrage. Zuletzt waren das laut Handelsregister 59 Prozent der Anteile. Die Gründer sollen die Firma weiterhin strategisch sowie operativ unabhängig führen. Eine Erweiterung der Geschäftsführung sei nicht vorgesehen.

Die „Lebensmittelzeitung“ hat zuerst über den Deal berichtet, der noch von den Behörden genehmigt werden muss. Weitere Details zur Transaktion wurden nicht mitgeteilt.

Im April 2022 hatte Nestlé die Mehrheit am Gewürz-Start-up Ankerkraut aus Hamburg übernommen. Der Einstieg hatte damals eine Welle der Empörung im Internet ausgelöst. Ankerkraut-Geschäftsführer Timo Haas war klar, dass Nestlé hierzulande ein schweres Standing hat. „Welch hohe Wellen die Beteiligung an Ankerkraut schlägt, hat uns trotzdem überrascht“, sagte er kürzlich rückblickend dem Handelsblatt.

Die Zahl der Ankerkraut-Influencer ist nach dem Einstieg von Nestlé von 500 auf 240 geschrumpft. Die bekannten Youtuber LeFloid und Sturmwaffel werben nun für die Marke Ostmann des Konkurrenten Fuchs.

Ankerkrauts Umsatz sank nach Einstieg von Nestlé

2022 war der Umsatz von Ankerkraut sogar erstmals rückläufig. Die Erlöse von rund 40 Millionen Euro seien „im kleinen zweistelligen Prozentbereich“ zurückgegangen. Eigentlich waren 25 Prozent Wachstum geplant. Der Einstieg von Nestlé sei nur ein Grund, betonte Haas. Hinzu kämen der nachlassende Coronaboom und die allgemeine Kaufzurückhaltung infolge der Inflation.

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Auch bei YFood äußerten sich in den sozialen Medien am Dienstag erste Nutzer kritisch zum Einstieg des Schweizer Konzerns. „Das ist besorgniserregend“, so ein Nutzer auf Twitter. „Nestlé hat in der Vergangenheit bewiesen, dass es nicht an ethischen Geschäftspraktiken interessiert ist, und wir sollten uns fragen, ob YFood seine Werte bewahren wird.“

YFood warb in großen Kampagnen unter anderem mit Gesichtern von Schauspieler Frederick Lau oder Outdoor-Influencer Fritz Meinecke.

YFood verdoppelte erneut seinen Umsatz

Anders als Ankerkraut ist YFood auch in Zeiten der Inflation stark gewachsen. Im vergangenen Jahr konnte das Unternehmen seinen Umsatz erneut verdoppeln – auf rund 120 Millionen Euro. 2021 war der Jahresgewinn nach eigenen Angaben siebenstellig. Aktuell beschäftigen die Münchner rund 200 Mitarbeiter.

„2023 wollen wir vor allem das Thema Internationalisierung noch mehr in den Fokus rücken“, sagte CEO und Co-Gründer Bollmann kürzlich. Dabei soll der neue strategische Partner Nestlé (Nescafé, Maggi, Kitkat) helfen. YFood erhofft sich Vorteile bei der internationalen Expansion und Vertriebskanälen.

Riegel von YFood © YFood

Trinkmahlzeiten und andere Produkte von YFood sind aktuell in mehr als 30 Ländern erhältlich – aber erst in sechs europäischen Staaten auch im Einzelhandel. Wichtige Vertriebskanäle sind der eigene Webshop und weitere E-Commerce-Kanäle. YFood, das seine Produkte bei Lohnfertigern produzieren lässt, hat seit der Firmengründung mehr als 95 Millionen Mahlzeiten verkauft.

Mit ihren Trinkmahlzeiten haben die Gründer offenbar den Zeitgeist getroffen. „Eine gute Story, zeitgemäße Aufmachung, kombiniert mit Marketing- und Vertriebspower“, meint Branchenexpertin Barbara Siegert, Partnerin der Beratung Munich Strategy. Die Produkte richten sich laut Bollmann an „alle, die sich im stressigen Alltag ausgewogen ernähren wollen“. Zu den Kunden zählten Berater und Studierende genauso wie Gamer, Schichtarbeiter oder Fernfahrer.

Sogenanntes Smart Food, das ganze Mahlzeiten ersetzen soll, liegt im Trend. Neben YFood ist beispielsweise Huel in dem wachsenden Feld aktiv. Vier Flaschen von YFood mit essenziellen Mikro- und Makronährstoffen sollen den Tagesbedarf eines Erwachsenen decken können. Mitgründer Kremer stellt aber klar: „Wir empfehlen keinem, sich nur von YFood zu ernähren.“

Bekannte Investoren überzeugt

Als seltene Alternative zu Junkfood schadeten manche solcher Produkte sicher nicht, meint Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Die Ökotrophologin warnt davor, solche Drinks zu sich zu nehmen, um das Gewissen zu beruhigen. Es werde mitunter suggeriert, der Mahlzeitersatz könne vermeintliche Ernährungsfehler ausgleichen oder ihnen vorbeugen.

Die Geschäftsidee von YFood hatte vor Nestlé schon andere Investoren überzeugt. Frank Thelen, Juror der „Höhle der Löwen“, hatte sich über seine Investmentgesellschaft Freigeist Capital 2018 für 200.000 Euro 20 Prozent an YFood gesichert. Die Verbindungen sind eng. Im November 2022 war Domenico Cipolla von YFood als Partner zu Freigeist Capital gewechselt. Bei YFood hatte Cipolla als Managing Director neben dem operativen Geschäft auch Strategie, Finanzen und Internationalisierung verantwortet.

Freigeist Capital äußerte sich auf Anfrage nicht dazu, ob Anteile an Nestlé abgegeben wurden, und verwies an YFood. Freigeist Capital war auch an Ankerkraut beteiligt.

Unge kritisiert YFood-Übernahme

Bisher hatten die Gründer von YFood mehr als 22 Millionen Euro eingesammelt. Nach Freigeist Capital investierten etwa der Milchkonzern Fonterra aus Neuseeland, Felix Capital und der Food-Tech-Fonds Five Seasons. Welche Investoren Anteile an Nestlé abgetreten haben, wollte YFood nicht mitteilen.

YFood hat jedenfalls große Wachstumspläne. Auch einen Börsengang sahen die Gründer vor einem Jahr als „realistische Option irgendwann“. Offen ist, ob sie nach dem Einstieg von Nestlé diese Pläne weiterverfolgen.

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