USA Weltpremiere für CO2-freies Kohlekraftwerk
Die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid – Carbon Capture and Storage, kurz CCS – kommt in Deutschland nicht recht voran. Der französische Industriekonzern Alstom beweist nun, dass CCS machbar ist - mit einem Kraftwerksprojekt in den USA. Ein deutsches Unternehmen ist mit von der Partie.
31.10.2009 | von Klaus Stratmann
Alstom CCS Kraftwerk, New Haven, Aussenansicht © hb_online
NEW HAVEN. In West Virgina ist schon länger keine Geschichte mehr geschrieben worden. Seit Freitag jedoch kann sich der US-Bundesstaat rühmen, weltweit eine Vorreiterrolle zu spielen: Das erste Kohlekraftwerk, das die komplette Kette der CCS-Technologie umfasst, steht im Städtchen New Haven. Michael G. Morris, Chef des US-Energiekonzerns American Electric Power (AEP), scheut sich bei der Eröffnung nicht, von "einem der historisch bedeutsamsten Momente in der großartigen Geschichte des glorreichen West Virginia" zu sprechen. Das ist vielleicht etwas dick aufgetragen, tatsächlich jedoch hat das Projekt am Ufer des Ohio River wegweisenden Charakter.
Was haben AEP und Alstom gemeinsam geleistet? Sie haben eine Anlage in Betrieb genommen, die das Treibhausgas Kohlendioxid bei der Stromproduktion auswäscht und das abgetrennte Kohlendioxid deutlich mehr als einen Kilometer unter die Erde presst, damit es dort dauerhaft gespeichert bleibt. Beim Thema Speicherung ist auch ein deutsches Unternehmen eingebunden: Der Energiekonzern RWE bringt als Projektpartner seine Erfahrungen ein.
Die Energiebranche schaut mit großem Interesse auf die Demonstrationsanlage in New Haven. Was hier im kleinen Maßstab funktioniert, könnte die Rettung für den Energieträger Kohle bedeuten: Kohle ist zwar weltweit reichlich vorhanden, ihre Verbrennung jedoch belastet das Klima stark. Also muss das Kohlendioxid unter die Erde.
Die von Alstom konzipierte Anlage des AEP-Konzerns wird pro Jahr 100 000 Tonnen Kohlendioxid abscheiden und unterirdisch verpressen. Die Stromerzeugungskapazität liegt bei 20 Megawatt. Zum Vergleich: Das Kohlekraftwerk, an das die Anlage angedockt wurde, hat eine Gesamtkapazität von 1 300 Megawatt, der allergrößte Teil des Kohlendioxids entweicht also noch immer in die Atmosphäre.
Alle namhaften Anlagenbauer widmen sich derzeit intensiv dem Thema CCS, eine Reihe von Projekten ist auch in Europa in der Pipeline. Und am Kraftwerksstandort Schwarze Pumpe in Brandenburg betreibt der Vattenfall-Konzern bereits seit vergangenem Jahr eine Demonstrationsanlage mit 30 Megawatt. Allerdings gibt es einen großen Unterschied zu der Anlage in West Virginia: Vattenfall scheidet das Kohlendioxid ab und lagert es in Tanks. Dauerhafte Speichermöglichkeiten werden erst noch erprobt.
Da sind die Amerikaner einen Schritt weiter. "Hier in West Virginia bietet sich für uns eine sehr gute Gelegenheit, den gesamten CCS-Prozess in einem Rutsch darzustellen und zu erproben", sagt Johannes Heithoff, Forschungschef bei RWE Power.
In Deutschland kann RWE solche Erfolge noch nicht vorweisen. Pläne des Unternehmens, ab 2015 abgetrenntes Kohlendioxid durch eine Pipeline vom Kraftwerksstandort im nordrhein-westfälischen Hürth bis nach Schleswig-Holstein zu leiten, um es dort dauerhaft unterirdisch zu speichern, stoßen auf großen Widerstand. Insgesamt hat die Branche hierzulande beim Thema CCS schwer zu kämpfen: Bürgerinitiativen wehren sich gegen unterirdische Speicher. Ein CCS-Gesetz scheiterte in diesem Sommer, weil die alte schwarz-rote Bundesregierung sich nicht einigen konnte. Die künftige Regierung will das Thema in Kürze erneut aufgreifen.
In Deutschland kommen vornehmlich saline Aquifere für die Speicherung in Betracht: Diese porösen, salzwasserführenden Gesteinsformation, besonders in den norddeutschen Bundesländern reichlich vorhanden, befinden sich mehrere hundert Meter unter der Erdoberfläche. Das Kohlendioxid wird in diese Gesteinschichten gepumpt, es verdrängt das Salzwasser und bleibt wie in einem Schwamm gespeichert.
Auch in West Virgina wird das Kohlendioxid nach diesem Muster gelagert. Für das Projekt in New Haven gibt es eine dauerhafte Genehmigung nach geltendem Umweltrecht.
Alstom will mit dem Projekt in den USA seine Technologieführerschaft beweisen. Für Alstom-Chef Philippe Joubert stellt das Demonstrationsprojekt in New Haven "den letzten Schritt vor dem Durchbruch einer kommerziellen Nutzung" der CCS-Technologie dar. "Wir werden 2015 eine marktfähige Lösung im großen Maßstab anbieten können", sagte Joubert dem Handelsblatt. In der nächsten Stufe würden Anlagen mit 250 Megawatt Leistung angestrebt. Der Alstom-Chef zeigt sich zuversichtlich, die Wirkungsgradverluste, die mit dem Einsatz der CCS-Technik einhergehen, rasch reduzieren zu können. "Da bin ich optimistisch. Man darf das Tempo der technischen Entwicklung nicht unterschätzen", sagte Joubert. Moderne Kohlekraftwerke haben einen Wirkungsgrad von 46 Prozent. Der Effizienzverlust durch CCS liegt bei acht bis zehn Prozentpunkten.
Energieträger Kohle
Weltweit vorhanden: Kohle ist in sämtlichen Regionen der Erde reichlich vorhanden und spielt bei der Stromproduktion eine tragende Rolle. In Deutschland liefern mit Braun- und Steinkohle befeuerte Kraftwerke knapp die Hälfte des Stroms. Auch in den USA hat die Kohle einen Anteil von knapp 50 Prozent an der Stromerzeugung.
Als Klimakiller in Verruf: Der Neubau von Kohlekraftwerken scheitert in Deutschland häufig an lokalen Protesten und politischem Widerstand. Zahlreiche Projekte wurden in den vergangenen Monaten abgeblasen.
Rettung CCS: Die Energiebranche erhofft sich von der Abscheidung und Speicherung des Kohlendioxids die Rettung. Allerdings stoßen die Unternehmen gerade bei der Speicherung auf Proteste.