Ukraine-Krieg Deutschland lässt Deal für Panzerwerkstatt in Polen platzen
Leopard-Panzer der Ukraine sollen möglichst nah an der Grenze gewartet werden. Doch Polen verlangt aus deutscher Sicht überzogene Preise. Die Bundesregierung reagiert.
12.07.2023 | von Moritz Koch, Martin Murphy und Frank Specht
Ukrainische Soldaten reparieren Leopard 2 © AP
Vilnius, Berlin Die Bundesregierung steigt aus der Vereinbarung mit Polen aus, ukrainische Leopard-Panzer auf polnischem Gebiet zu reparieren. Das erfuhr das Handelsblatt von mit der Angelegenheit vertrauten Personen. Grund dafür sind offenbar Preisvorstellungen der Polen, die aus deutscher Sicht vollkommen überzogen sind.
Aus dem Bundesverteidigungsministerium hieß es offiziell, die endgültige Entscheidung sei noch nicht gefallen. Allerdings bestätigte ein Sprecher, dass moderne Leopard-Panzer vom Typ 2A5 und 2A6 nunmehr in Deutschland und voraussichtlich auch in Litauen repariert werden sollen. Die Instandsetzungsarbeiten an diesen Modellen könnten schon jetzt beginnen, „und zwar sobald die ukrainischen Streitkräfte den Instandsetzungsbedarf anzeigen“, sagte der Sprecher. Nur die Verhandlungen über die Reparatur von Leopard-2A4-Kampfpanzern, ein älterer Typ, liefen noch.
Die Ukraine benötigt dringend eine Möglichkeit, beschädigte Kampfpanzer westlicher Bauart wieder einsatztauglich zu machen. Bei ihrer laufenden Gegenoffensive erleiden die ukrainischen Streitkräfte hohe Verluste. Die Bundesregierung hatte im März nach langem Zögern der Ukraine 18 moderne Leopard-Panzer vom Typ 2A6 übergeben. Andere europäische Partner sagten ebenfalls Lieferungen zu, darunter Polen. Doch um die von Polen bereitgestellten Leopard-2A4-Panzer gibt es ebenfalls Streit: Von den 14 gelieferten Fahrzeugen trafen acht beschädigt in der Ukraine ein, wie das Handelsblatt erfuhr.
Ziel des geplanten Reparaturzentrums war, Leopard-Panzer möglichst nahe der Grenze zur Ukraine zu warten, um kurze Wege zu haben. Schon im April hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit seinem Amtskollegen eine Absichtserklärung für den Bau der Panzerwerkstatt unterzeichnet.
Das Zentrum soll gemeinsam von den deutschen Rüstungskonzernen Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und dem polnischen Unternehmen PGZ aufgebaut werden. PGZ soll laut informierten Kreisen aber Preise verlangt haben, die zehnmal höher sind als üblich.
Pistorius hatte zuletzt bei einem Treffen mit seinem polnischen Amtskollegen Mariusz Blaszczak den Druck erhöht. Die Verhandlungen sollten „möglichst innerhalb der nächsten zehn Tage beendet werden, damit wir wissen, in welche Richtung es weitergeht“, sagte Pistorius.
Viele ukrainische Leopard-Panzer beschädigt
Die Ukraine ist auf kampffähige Leopard-Panzer angewiesen, da diese für die Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete im Süden und Osten des Landes benötigt werden. Schon jetzt ist nach Angaben von Experten etwa die Hälfte der gelieferten Leopard-Panzer beschädigt. Fotos aus dem Kampfgebiet, die in Online-Netzwerken kursieren, zeigen, dass ein bis zwei Fahrzeuge zerstört sind, andere sind reparaturbedürftig.
Pro Leopard 2 sind dafür in der Regel einige Hundert Stunden Arbeit nötig. Die Bundesregierung muss dafür bei üblichen Marktpreisen mit einem Betrag in dreistelliger Millionenhöhe für den Reparaturbetrieb rechnen. In Polen wären diese Kosten aber deutlich höher ausgefallen, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person dem Handelsblatt.
Die Kampfpanzer könnten nun alternativ in der Ukraine selbst überholt werden. Dazu würden die Deutschen mit dem ukrainischen Rüstungskonzern Ukroboronprom kooperieren. Das staatliche Unternehmen mit über 60.000 Mitarbeitern unterhält einige Standorte im Westen des Landes, die bisher vor russischen Luftangriffen geschützt werden konnten. Rheinmetall hat mit Ukroboronprom schon Verträge für die Wartung und die Fertigung von Panzern geschlossen.
Während das Zusammenspiel mit Polen hakt, läuft die Kooperation mit Rumänien. In dem Land sollen Schützenpanzer vom Typ Marder überholt werden. Bei dem Projekt gebe es keine Schwierigkeiten, hieß es.
Im Frühjahr hatte es aber Zwist mit der Slowakei gegeben, wo unter anderem Panzerhaubitzen für die Ukraine gewartet werden sollten. Die slowakischen Zollbehörden verlangten hohe Zölle für Ersatzteile, was zu einem Konflikt mit Berlin führte.