Flüssiggas Katar liefert ab 2026 LNG nach Deutschland – deckt damit aber nur einen Bruchteil des Bedarfs
Über 15 Jahre will Katar bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssiggas pro Jahr nach Deutschland liefern. Weil die deutschen Versorger bisher nicht zum Zuge kamen, springt ein US-Unternehmen ein.
29.11.2022| Update: 29.11.2022 - 14:01 Uhr | von Kathrin Witsch und Klaus Stratmann
LNG-Tanker aus Katar © imago images/VCG
Düsseldorf, Berlin Katar liefert nun doch verflüssigtes Erdgas (LNG) nach Deutschland. Das hat der katarische Energieminister Saad Scharida al-Kaabie am Dienstag in Doha verkündet. Das LNG solle vom Staatsunternehmen Qatar Energy an das US-Unternehmen Conoco Phillips verkauft werden, das es weiter zum deutschen LNG-Terminal Brunsbüttel liefere, sagte der Minister. Conoco Phillips ist neben Shell, Exxon Mobil, Total Energies und Eni als Partner an dem katarischen Staatskonzern beteiligt.
Die Lieferungen sollen 2026 beginnen und bis zu 15 Jahre laufen. Jährlich sollen bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssigerdgas geliefert werden. Zu dem Preis wollte Qatar Energy sich nicht äußern. Mit deutschen Unternehmen gäbe es weitere Gespräche über LNG-Lieferungen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war im Frühjahr nach Katar gereist, um für LNG-Lieferungen zu werben. Mitglieder der Wirtschaftsdelegation, die den Minister begleitete, waren RWE-Chef Markus Krebber, VNG-Chef Ulf Heitmüller und Manager des Uniper-Konzerns.
Auf einer Industriekonferenz in Berlin stellte Habeck am Dienstag kurz nach Bekanntwerden des Deals klar: „Die politischen Gespräche in Katar waren nur Rahmengespräche. Danach sind die Unternehmen in Verhandlungen geblieben, die ihre Verträge selber schließen.“
Deutschland ist dringend auf neue Handelspartner beim Gas angewiesen, da der bisherige Großlieferant Russland ausfällt. In dem Zuge wurde Gas nicht nur knapp: Die Erdgaspreise sind innerhalb der vergangenen zwölf Monate auch auf ein Niveau von 40 bis 340 Euro pro Megawattstunde (MWh) gestiegen. Aktuell kostet eine MWh knapp über 130 Euro.
LNG aus Katar wird ab 2026 nach Deutschland geliefert
Für Habeck ist klar: Es sei nicht Aufgabe des Staates, Gas und Infrastruktur einzukaufen. „Wir haben Verträge mit RWE und Uniper für das LNG-Terminal in Brunsbüttel. Diese Unternehmen kaufen auf dem Weltmarkt ein, nicht wir“, sagte der Grünen-Politiker. Dabei nehmen die Unternehmen verschiedene Angebote wahr, das schließe Katar mit ein, „es ist aber nicht der einzige Anbieter auf dem Markt“.
Der Deal kommt nur wenige Tage nach Verkündung eines vor allem wegen seiner langen Laufzeit gigantischen Lieferabkommens zwischen Katar und China – über 27 Jahre. Es sieht den Export von verflüssigtem Erdgas (LNG) im Umfang von 108 Millionen Tonnen in diesem Zeitraum vor.
Gas-Deal mit Katar: Liefermenge von LNG recht gering
Für Deutschland ist der 15-Jahres-Deal mit Katar der erste längerfristige Liefervertrag für LNG. Die zwei Millionen Tonnen LNG entsprechen etwa 2,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr – damit ist die Liefermenge recht klein. Zum Vergleich: 2021 hat Deutschland knapp 90,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht.
Durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 waren bis zum Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine jährlich rund 55 Milliarden Kubikmeter von Russland nach Deutschland geschickt worden. Ein Teil dieser Menge blieb allerdings nicht im deutschen Markt, sondern wurde über das europäische Ferngasleitungsnetz in andere europäische Länder weitergeleitet.
Katar beliefert Deutschland mit Flüssiggas
Eigentlich spricht sich die Bundesregierung mit Blick auf die Klimaziele dafür aus, nur kurzfristige Gaslieferverträge abzuschließen. Habeck betonte am Dienstag, dass die Unternehmen am Weltmarkt selbstständig agierten. „Es ist aber klar, dass der Gasverbrauch in absehbarer Zeit runtergehen muss“, so der Minister. Schließlich habe Deutschland sich zum Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu sein.
Mit Blick auf die Laufzeit des jetzt bekannt gewordenen Deals sagte Habeck: „15 Jahre sind super. Aber ich hätte auch nichts gegen längere Laufzeiten.“ Den Vertragspartnern müsse allerdings klar sein, dass der Bedarf in Deutschland sinke. Mengen, die später hierzulande nicht mehr benötigt würden, müssten die Unternehmen dann weiterverkaufen.
Mitte der 2030er-Jahre müsse der Höhepunkt des Gasverbrauchs in Deutschland erreicht sein, sagte Habeck. Damit ist klar, dass Unternehmen, die Verträge für den deutschen Markt abschließen, sich nicht auf Langfristverträge einlassen können, bei denen der Weiterverkauf des Gases ausgeschlossen ist.
Robert Habeck © IMAGO/Political-Moments
Das Streben nach Verträgen mit kürzeren Laufzeiten hat die Verhandlungen deutscher Unternehmen mit potenziellen Vertragspartnern wie Katar bislang erschwert. Denn die LNG-Produzenten haben großes Interesse an langen Laufzeiten, um ihre Milliardeninvestitionen in die Förderung des Erdgases und in die Anlagen zur Verflüssigung sicher finanzieren zu können.
„Deutsche Firmen trauen sich bisher nicht, ins Risiko zu gehen, und wollen sich nicht langfristig binden“, beobachtet auch Gasexperte Andreas Schröder vom Marktforschungsunternehmen ICIS. Deswegen schloss Katar das jetzige Geschäft auch nicht mit deutschen Konzernen – stattdessen füllt der US-Konzern Conoco Phillips ab 2026 diese Lücke.
Der nordamerikanische Öl- und Gasriese hatte sich bereits vor einem Monat Kapazitäten an dem Terminal in Brunsbüttel gesichert, wo Flüssiggas künftig in Deutschland anlanden kann. Ebenso wie der Chemiekonzern Ineos und RWE.
Betreiber der norddeutschen Anlandestelle ist der niederländische Fernleitungsnetzbetreiber Gasunie. Dem Unternehmen gehören außerdem 40 Prozent des LNG-Hafens. Zehn Prozent hat sich RWE gesichert, der Rest ist über die Förderbank KfW im Besitz des deutschen Staates.
Conoco Phillips will das LNG aus Katar laut eigener Aussage von Brunsbüttel aus an verschiedene Interessenten verkaufen. Das könnten deutsche Gashändler wie RWE und Uniper oder auch große Industriekonzerne hierzulande sein.
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Nach Ansicht von Experten hilft das jetzige Geschäft allerdings nicht schnell genug. „Wichtig ist, dass Deutschland auch für 2023 schon Verträge abschließt“, sagt Schröder. Hier seien die Energiekonzerne RWE, Uniper und EnBW in laufenden Verhandlungen sowohl mit Qatar Energy als auch mit dem Öl- und Gaskonzern Adnoc aus Abu Dhabi.
Die Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) hat bereits eine Vereinbarung über erste LNG-Lieferungen mit RWE für das Terminal in Brunsbüttel unterzeichnet.
Gas-Deal: RWE verhandelt mit Abu Dhabi
Diese gilt zunächst allerdings nur für 137.000 Kubikmeter im Dezember. Für die mehrjährige Belieferung ab dem nächsten Jahr gibt es zunächst nur eine Absichtserklärung. Hier sei man jedoch weiter in Gesprächen, bestätigte RWE auf Anfrage des Handelsblatts.
Feste Verträge sind laut Experten jedoch eine wichtige Absicherung: „Ansonsten muss Deutschland 2023 und 2024 vollständig aus dem Spotmarkt kaufen, das kann preislich volatil werden“, mahnt Schröder.
Branchenexperten warnen angesichts des jetzt mit Katar geschlossenen Vertrags vor Euphorie. Der Deal sei „ein wichtiger erster Schritt auf einer langen Reise“, sagte Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas. Der Vertrag dürfe aber nicht überbewertet werden.
„Zwei Millionen Tonnen im Jahr entsprechen knapp 30 Terawattstunden und damit etwa drei Prozent des deutschen Jahresbedarfs. Wir müssen aber knapp 500 Terawattstunden ersetzen, die bislang über russische Gaslieferungen gedeckt wurden“, sagte er. Das bedeute, „dass noch viel Arbeit vor uns liegt, um die Versorgung langfristig zu sichern“.
Erstpublikation: 29.11.2022, 09:30 Uhr.