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Falschinformationen
Berlin und Brüssel kämpfen gegen die „Infodemie“

Über das Coronavirus verbreiten sich im Netz viele Falschinformationen rasend schnell. Die Politik will nun härter dagegen vorgehen.

23.03.2020 | von Moritz Koch, Larissa Holzki und Till Hoppe

Falschinformationen © Unsplash

Berlin, Brüssel In der Coronakrise verbreiten sich Propaganda, Lügen und Falschmeldungen rasend schnell. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt, die Pandemie werde von einer „Infodemie“ begleitet: dem Befall ganzer Länder mit medialen Erregern von Misstrauen und Verunsicherung.

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Da der Infektionsweg oft über Onlinenetzwerke und Chatgruppen verläuft, will die Bundesregierung soziale Medien strenger regulieren. „Das Vertrauen der Bürger beruht darauf, dass objektiv berichtet wird“, sagte Innenstaatssekretär Markus Kerber dem Handelsblatt. „Wir setzen alles daran, den Internetkonzernen klarzumachen, dass genügend Raum sein muss für vertrauenswürdige Informationen.“ Dafür werde es auch zusätzliche „Eingriffe des Staates“ geben, kündigte Kerber an.

Seit 2017 gilt in Deutschland mit dem „Netz-DG“ ein Gesetz, das Hass und Hetze im Internet Einhalt gebieten soll. Desinformationskampagnen fallen nicht unter diese Tatbestände. Diese Regulierungslücke könnte bald geschlossen werden. Die EU-Kommission will noch in diesem Jahr Vorschläge präsentieren. In ihrem Aktionsplan für die Demokratie dürfte die Brüsseler Behörde vorschlagen, Onlineplattformen zu mehr Transparenz und Verantwortungsübernahme zu verpflichten. Bislang existiert auf europäischer Ebene lediglich ein freiwilliger Verhaltenskodex, den die großen Anbieter Facebook, Google, Microsoft und Twitter unterzeichnet haben.

Von der Bundesregierung kommt Unterstützung. Kerber zufolge wird die Coronakrise nicht nur von „einzelnen Verrückten, von Wichtigtuern und Verschwörungstheoretikern“ ausgenutzt, es steckten auch staatliche Akteure dahinter: „Wir beobachten verstärkt, dass in chinesischen, russischen und iranischen Medien ein Narrativ entwickelt wird, das Virus stamme aus den USA, bei Covid-19 handele es sich um eine biologische Waffe.“

Die „East StratCom Task Force“, eine Beobachtungsstelle des Auswärtigen Diensts der EU, berichtete zudem von Aktivitäten kremlfreundlicher Medien, die das Vertrauen der Bürger in die nationalen Behörden und Gesundheitssysteme untergraben sollten. Chinesische Staatsmedien wiederum strickten die Legende, die Führung um Präsident Xi Jinping habe schnell und effektiv auf den Ausbruch reagiert.

Die EU-Kommission bittet die großen Plattformen nun im März zum zweiten Gespräch dieser Art. Vizepräsidentin Vera Jourova wird in Kürze mit Unternehmensvertretern darüber beraten, wie diese Falschmeldungen und bewusster Desinformation im Zusammenhang mit der Pandemie besser begegnen können.

Die Kommission würdigt durchaus die Anstrengungen der Unternehmen. Jourova dürfte aber mehr Transparenz verlangen: Außenstehende könnten kaum beurteilen, welche Ausmaße Fake News auf den unterschiedlichen Plattformen hätten oder wie lange diese bräuchten, um als falsch identifizierte Informationen zu löschen, kritisierte die EU-Taskforce in einem internen Bericht. Besonders bei Facebook bestünden „massive Hindernisse“.

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Die Google-Tochter Youtube wiederum sei weiterhin ein „fruchtbarer Boden“ für Gerüchte und Falschinformationen zum Virus, so die Experten. Sorgen bereitet Jourova zudem die wachsende Menge von Falschinformationen über Messengerdienste wie WhatsApp. „Wir müssen die damit verbundenen Risiken besser verstehen“, sagte sie. Verschlüsselte Chats und oft von den Nutzern selbst generierte Fehlinformationen erschwerten die Arbeit.

Allianz gegen Fake News

Die Unternehmen zeigen sich bemüht. Facebook hat gemeinsam mit Google, Twitter und Microsoft/LinkedIn angekündigt, künftig gemeinsam gegen Fake News vorzugehen. Die Face‧book-Tochter WhatsApp ergreift ebenfalls Maßnahmen. „Wir sind auch darauf fokussiert, dass Falschinformationen sich nicht verbreiten“, sagte Konzernchef Mark Zuckerberg.
Die Plattformen müssen dabei zwei Probleme gleichzeitig in den Griff bekommen. Sie müssen einerseits verhindern, dass Organisationen und private Nutzer – willentlich oder nicht – Falschnachrichten verbreiten, und andererseits dafür sorgen, dass Nutzer gesicherte Informationen bekommen.

Letzteres gelingt aber immer besser: Wer in Deutschland etwa auf Youtube nach „Corona“ sucht, findet zuoberst einen Hinweis auf die aktuellsten Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Facebook hat seinerseits einen Infokasten platziert, in dem Nutzer aus immer mehr Ländern mit den neuesten Informationen ihrer nationalen Gesundheitsbehörden versorgt werden. Für Facebook habe es „höchste Priorität“ sicherzustellen, dass Menschen „Zugang zu guten, zuverlässigen Informationen von vertrauenswürdigen Gesundheitsquellen“ bekommen, beteuerte Zuckerberg in einem Telefonat mit Journalisten. Beim Unterscheiden, was aus gesundheitlicher Sicht richtig und was falsch ist, lässt sich Facebook etwa von der Weltgesundheitsorganisation WHO helfen. Mithilfe einer Liste von Behauptungen, die als gefährliche Falschinformationen eingestuft wurden, würde Facebook entsprechende Inhalte löschen.

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