ABO

Presse-Ausschluss bei AfD-Parteitag
„Vorgehen der AfD verstößt gegen das Grundgesetz“

Beim NRW-Landesparteitag der AfD in Werl sollen Journalisten draußen bleiben. Die Ankündigung löste heftige Proteste aus – zu Recht. Denn ein Ausschluss der Presse dürfte wohl mit geltendem Recht kollidieren.

25.06.2016 | von Dietmar Neuerer

Marcus Pretzell. © dpa

Berlin Die Absicht der NRW-AfD, keine Journalisten zum Parteitag am 2. und 3. Juli in Werl zuzulassen, ist nach Einschätzung des Rektors der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, Joachim Wieland, verfassungswidrig. „Das Vorgehen der AfD verstößt gegen das Grundgesetz“, sagte Wieland dem Handelsblatt. Nach Grundgesetzartikel 21 wirkten die politischen Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Die politische Willensbildung vollziehe sich in der parlamentarischen Demokratie öffentlich. „Die Aufgabe der Medien ist es, diese Öffentlichkeit herzustellen“, betonte der Jurist.

Anzeige

Die Parteien, so Wieland weiter, könnten durch die Bürger nur dann demokratisch legitimiert werden, wenn sie über deren Programm und ihre innere Ordnung, die nach dem Grundgesetz demokratischen Grundsätzen entsprechen muss, informiert seien. „Parteitage müssen deshalb grundsätzlich medienöffentlich stattfinden.“

AfD-Programm: Das fordert die Partei

Mindestlohn

Die AfD ist für den gesetzlichen Mindestlohn. Damit liegt sie auf einer Linie mit SPD, Grünen, der Linkspartei und Teilen der Union.

Erbschaftssteuer

Geht es nach der AfD soll die Erbschaftssteuer abgeschafft werden. Dafür setzt sich aktuell auch die FDP ein.

Bundespräsident

Die AfD möchte, dass der Bundespräsident künftig direkt vom Volk gewählt wird. Dieser Vorschlag kam 2009 auch vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Zustimmung erhielt er dafür nur aus der FDP.

Volksentscheid

Die AfD will mehr direkte Demokratie durch Volksentscheide. Auch die SPD, die Linke und die Grünen wollen, dass die Hürden für Volksentscheide abgesenkt werden. Ihre Vorschläge gehen aber nicht so weit wie die Ideen der AfD.

Familie

Die traditionelle Familie gilt der AfD als Keimzelle der Gesellschaft. Das Loblied auf die traditionelle Vater-Mutter-Kind-Familie taucht in dieser Form auch im Parteiprogramm der CSU auf. 

Freihandelsabkommen

Die AfD lehnt die Freihandelskommen TTIP und CETA ab. Auch die Linke und die Grünen sind dagegen.

Themen des Artikels

Der AfD-Landesvorstand hatte entschieden, den Parteitag in Werl „ausschließlich den Delegierten sowie den angemeldeten Mitgliedern und Förderern der AfD zu öffnen“. Medien wurden nur zwei Pressetermine angeboten oder auch „separate Termine“ auf Anfrage. Als Grund nannte die Partei vor allem „Interessen unserer Delegierten, Mitglieder und Förderer am Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte“.

Wieland sagte dazu: „Ausnahmen sind allenfalls zu einzelnen Programmpunkten eines Parteitages zulässig, wenn eine Partei sich dafür auf so gewichtige Gründe berufen kann, dass sie das Interesse der Öffentlichkeit an Transparenz der politischen Prozesse überwiegen. Für eine solche Ausnahme sind vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich.“

Auf das Vorhaben der Rechtspopulisten reagierten Journalisten mit harscher Kritik gegen den Landesverband. Die Entscheidung, keine Journalisten zum Parteitag zuzulassen, sei ein „schwerer Eingriff in die Freiheit der Berichterstattung“, kritisierte die Landespressekonferenz NRW, ein Zusammenschluss von mehr als 120 landespolitischen Korrespondenten aus Nordrhein-Westfalen. Die Partei müsse eine „Berichterstattung ohne Einschränkungen“ zulassen, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten offenen Brief der Korrespondenten.

Es sei jahrzehntelange Praxis, dass Parteien, die im Landtag vertreten sind oder realistische Chancen auf einen Einzug ins Parlament hätten, ihre Parteitage medienöffentlich abhalten. In NRW wird im Mai kommenden Jahres der Landtag neu gewählt.

Anzeige

Europas Populisten: Von AfD bis Ukip

Deutschland: Alternative für Deutschland (AfD)

Die Alternative für Deutschland (AfD) wurde einst beherrscht von heftigen internen Richtungskämpfen zwischen wertkonservativem und liberalem Flügel. Den Machtkampf entschied die dem rechtskonservativen Flügel zugerechnete Frauke Petry. Aktuell lässt sich die Partei dem rechten Spektrum zuordnen. Die AfD konnte sich zunächst mit scharfer Kritik am Euro-Rettungskurs der Bundesregierung, aber auch mit Positionen zur Einwanderungspolitik und familienpolitischen Themen in der deutschen Meinungslandschaft wirksam profilieren und positionieren. Die Flüchtlingskrise gibt ihr - und vor allem den rechtsnationalen Vertretern in der Partei Rückenwind.
Quelle: Deutsche Bank Research „Europas Populisten im Profil“, April 2015; Handelsblatt-Recherchen

Finnland: Die Finnen

Dem rechten Spektrum zuzuschreiben sind die Finnen, die sich 1995 gegründet haben. Im Zuge der Euro-Krise konnten sie sich insbesondere mit EU-skeptischen Positionierungen profilieren. Sie fordern die Verteidigung der nationalen Identität und eine stärkere Verantwortung der Nationalstaaten in Europa.

Frankreich: Front National

Der 1972 gegründete Front National (FN) findet in Frankreich nach einer strategischen Neuausrichtung im Jahr 2011 unter der neuen Parteivorsitzenden Marine Le Pen zunehmend Zuspruch. Die Rhetorik und das Verhalten des FN wurden gemäßigt. Zugleich hat der FN auch sein Themenspektrum erweitert, sodass neben Einwanderung auch Globalisierungstendenzen und die EU kritisiert werden. Der FN ist daher dem rechtspopulistischen Spektrum zuzuordnen.

Griechenland: Syriza-Bündnis

Griechenland ist ein Sonderfall. Hier stehen Populisten in Regierungsverantwortung. Das linke Parteienbündnis Syriza hat die Parlamentswahlen im Januar 2015 als stärkste Kraft gewonnen und bildet eine Koalition mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen. Syriza weist die Verantwortung für Fehlentwicklungen des Landes konsequent der Euro-Rettungspolitik zu. Die Ursachen der nationalen Schieflage verortet Syriza in der internationalen Finanzwirtschaft und der EU. Im Wahlkampf konnte das Bündnis mit der Forderung nach einem Schuldenschnitt für Griechenland punkten.

Italien: Movimento 5 Stelle, Lega Nord und Forza Italia

In Italien gibt es gleich mehrere populistische Kräfte: Movimento 5 Stelle, Lega Nord und Forza Italia. Allerdings ist die Regierungspartei Partito Democratico (PD) mit 37,2 Prozent in Umfragen immer noch sehr stark und wäre eindeutiger Sieger bei Parlamentswahlen. Fraglich ist, ob eine absolute Mehrheit zustande kommen kann oder eine Koalition mit einer der populistischen Parteien gegründet werden müsste. Die Koalitionsverhandlungen dürften vermutlich wie bei den letzten Wahl en schwierig werden und den Einfluss populistischer Parteien insofern stärken, als dass die PD diesen inhaltlich entgegenkommen müsste.

Niederlande: Partei für die Freiheit

Die Partei für die Freiheit (PVV) ist dem rechtspopulistischen Parteienspektrum zuzuordnen. Im Kern positioniert sich die Partei gegen Einwanderung und die EU. Vor allem durch ihren Vorsitzenden Geert Wilders erlangt die PVV in den Niederlanden eine hohe Aufmerksamkeit in den Medien.

Österreich: Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist mit Gründung 1955 eine die der ältesten populistischen Parteien. Nach der Abspaltung des rechtsliberalen Flügels als Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) im Jahr 2005 mobilisiert die rechtspopulistische FPÖ gegen weitere europäische Integration und die „Islamisierung“ Österreichs.

Spanien: Podemos-Bewegung

Neu im linken Spektrum ist die spanische Podemos-Bewegung. Sie ging im März 2014 aus der Bewegung der „Empörten“ hervor und sieht sich als Vertretung der Bevölkerung gegen eine „politische Kaste.“

Großbritannien: United Kingdom Independence Party (Ukip)

Im Vereinigten Königreich ist EU-Skepsis tendenziell verbreiteter als in anderen EU-Ländern. Dies spiegelt sich auch in der Parteienlandschaft wieder, in der die rechtskonservative United Kingdom Independent Party (Ukip) mit ihrer Forderung nach einem EU-Austritt die stärksten EU-skeptischen Züge trägt.

Die AfD versucht derweil, die Wogen zu glätten. Nun sollen die Parteitagsdelegierten das letzte Wort in der Sache haben. „Wir werden die Entscheidung über die uneingeschränkte Präsenz der akkreditierten Pressevertreter unserem höchsten Gremium - dem Landesparteitag – überlassen“, teilte die Pressesprecherin der Landes-AfD, Renate Zillessen, am Donnerstagabend mit.

Da es um den „Schutz der Persönlichkeitsrechte“ von Parteimitgliedern gehe, sollten die potenziell von Veröffentlichung ihrer Bilder und Wortbeiträge Betroffenen darüber selbst entscheiden. Die Vorbehalte der NRW-Journalisten wies die AfD-Sprecherin zurück und verwies darauf, dass ihre Partei Journalisten Anfang der Woche zu zwei rund einstündigen Pressegesprächen am Rande ihres Landesparteitags eingeladen hatte.

Weiterlesen...

Weiterlesen...

Anzeige
ICO/Audio-Play@1,5x stop „@1x