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Nach Attac-Urteil
Neuer Streit über die Deutsche Umwelthilfe

Für die Union ist das Gemeinnützigkeits-Urteil gegen Attac eine willkommene Gelegenheit, nun auch den Status der Umwelthilfe anzugreifen. Die Grünen kritisieren den Vorstoß scharf.

28.02.2019| Update: 28.02.2019 - 09:06 Uhr | von Dietmar Neuerer

Umwelthilfe-Gegner © dpa

Berlin Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit für das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist eine neue Debatte über den Status der Deutschen Umwelthilfe (DUH) entbrannt.

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„Das Urteil wird sicherlich eine Rolle bei der weiteren Bewertung der Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe spielen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger (CDU), dem Handelsblatt. „Schließlich gibt es gute Gründe zu hinterfragen, ob das Gebaren der Deutschen Umwelthilfe noch den Anforderungen der Gemeinnützigkeit entspricht.“ Die FDP unterstützt den Vorstoß, die Grünen kritisieren ihn scharf.

Noch schärfer äußerte sich der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Stefan Müller. Als nächstes müsse man an die Umwelthilfe ran. „Es kann nicht sein, dass kleine militante Splittergruppen die Gesellschaft drangsalieren und dann auch noch „Gemeinnützigkeit“ für sich reklamieren“, schrieb Müller auf Twitter.

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Auch Müller nahm dabei Bezug auf das vorläufige Ende eines jahrelangen Rechtsstreits, in dem das höchste deutsche Finanzgericht Attac wegen tagespolitischem Aktivismus die Gemeinnützigkeit aberkannt hat. Der Bundesfinanzhof kommt in seinem am Dienstag veröffentlichten Urteil zu dem Schluss, dass die von Attac geführten Kampagnen keine gemeinnützige politische Bildungsarbeit sind.

Der fünfte Senat verweist in der Entscheidung auf die Abgabenordnung, in der insgesamt 25 gemeinnützige Tätigkeitsbereiche festgelegt sind. Dazu zählen unter anderem der Sport, der Umweltschutz, die Wohlfahrt und die Volksbildung, nicht aber die Tagespolitik.

Für Kritiker der Umwelthilfe ist das BFH-Urteil eine willkommene Gelegenheit, nun auch deren Status anzugreifen. Sie werfen der DUH vor, dass es sich dabei lediglich um einen als Umweltorganisation getarnten Abmahnverein handle, der mit seinen zahllosen Prozessen Geld verdiene.

Auch wegen ihrer Fahrverbots-Klagen steht die Umwelthilfe in der Kritik. Damit hat die DUH schon in etlichen deutschen Städten Diesel-Fahrverbote durchgesetzt. Sie spielt damit eine große Rolle in der Dieselkrise. Für viele in Politik und Autoindustrie ist sie deshalb seit langem ein rotes Tuch. Auch für Bilger.

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Wahlkreis im Autoland Baden-Württemberg.

Der Bundestagsabgeordnete ist Vorsitzender des CDU-Bezirksverbands Nordwürttemberg. Dieser hatte beim Bundesparteitag Anfang Dezember gefordert, der Umwelthilfe die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Das hätte unter anderem zur Folge, dass Spenden an den Verein nicht mehr steuerlich absetzbar wären. „Wir sehen, welchen Schaden die DUH mit ihrem Vorgehen anrichtet – ganz konkret in unseren Städten“, hatte Bilger einst im Handelsblatt die Klagefreudigkeit des Vereins kritisiert und dabei auf die Lage in seiner Region verwiesen.

Hier lägen vier der 14 besonders mit Stickstoffdioxid belasteten Städte, zugleich hätten hier viele Menschen einen Arbeitsplatz in der Autoindustrie. Daher: „Ob die Abmahnungen gegen Autohäuser und Klagen gegen Städte noch mit den Anforderungen eines gemeinnützigen Vereins vereinbar sind, sollte durchaus einmal hinterfragt werden.“ Bilgers Wahlkreis liegt im Autoland Baden-Württemberg.

Für die FDP ist die Sache klar. „Die DUH bewegt sich meiner Ansicht nach zum Beispiel durch ihr Abmahn-Finanzierungsmodell ein Stück neben des von der Abgabenordnung gedeckten Zwecks einer Gemeinnützigkeit, zum Beispiel im Bereich Verbraucherschutz“, sagte der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic dem Handelsblatt. „Auch der begrenzte Zugang zur Mitgliedschaft ist ein Indiz dafür, dass das Allgemeinwohl nicht immer im Vordergrund steht.“ Man dürfe daher gespannt sein, ob Union und SPD zu einer gemeinsamen Position kommen.

Grüne kritisieren „durchsichtiges Manöver“ der CDU

Der Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn wandte sich gegen die Aussage Bilgers, dass das Attac-Urteil eine Rolle bei der Bewertung der Gemeinnützigkeit der Umwelthilfe spielen werde. „Es besteht kein Zweifel an der Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe, denn der Schutz der Gesundheit ist eindeutig ein gemeinnütziges Ziel“, sagte Kühn dem Handelsblatt. Was Bilger als „Gebaren“ bezeichne, sei das gerichtliche Durchsetzen von geltendem Recht seitens der Umwelthilfe. „Sich an der Deutschen Umwelthilfe abzuarbeiten, ist ein durchsichtiges Manöver, von den eigenen Versäumnissen abzulenken“, so Kühn.

Der Grünen-Politiker erinnerte an das „Sofortprogramm Saubere Luft“ der Bundesregierung, dass in der Bürokratie hängen bleibe. So würden 1,5 Millionen Software-Updates bei Diesel-Pkw fehlen, Hardware-Nachrüstungen würden verzögert. Kühn warnte: „Die krankmachende Luftbelastung in unseren Städten verschwindet nicht, indem man Grenzwerte anpasst oder NGOs in ihrer Arbeit behindert.“

Ähnlich äußerte sich die Umwelthilfe. „Herrn Bilger von der CDU geht es nicht um die Gemeinnützigkeit der Umwelthilfe, sondern darum, von der schlechten Performance des Verkehrsministeriums bei den Themen moderne Mobilität oder Saubere Luft in unseren Innenstädten abzulenken“, schrieb Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, auf Twitter.

Bilger kritisierte seinerseits die Reaktionen der Grünen auf die BFH-Entscheidung vom Dienstag. Sven Giegold, Sprecher der Grünen-Abgeordneten im Europäischen Parlament und Mitgründer von Attac Deutschland, hatte von einem „schwarzen Tag für die Demokratie“ gesprochen.

Umwelthilfe verweist auf Bescheid des Finanzamts

Bilger sagte dazu: „Als der CDU-Bundesparteitag gefordert hat, die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe zu hinterfragen, gab es viel Kritik von grüner Seite, dass ein solcher Beschluss einem Parteitag nicht zustehe.“ Für diese Fragen seien schließlich Ämter und Gerichte zuständig. „Nun verwundert es doch, dass es wieder Politiker der Grünen sind, die das Urteil zur Frage der Gemeinnützigkeit von Attac heftig kritisieren, anstatt es zu respektieren“, betonte der CDU-Politiker.

Auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht die Umwelthilfe kritisch. Sie hatte sich hinter den CDU-Beschluss gestellt. Die DUH habe zwar gute Arbeit geleistet. „Aber es ist jetzt schon der Eindruck auch entstanden, dass es mehr und mehr um eine Kreuzzug gegen Antriebstechnologien, gegen den Diesel geht“, sagte sie kürzlich. Es stelle sich die Frage, ob die DUH zielführend vor dem Hintergrund arbeite, dass die Autoindustrie einer der Kernbestandteile der industriellen Stärke Deutschlands sei.

Die Umwelthilfe sieht sich indes rechtlich auf der sicheren Seite. Das zuständige Finanzamt habe die DUH gerade erst geprüft und die Gemeinnützigkeit bestätigt, sagte kürzlich Geschäftsführer Jürgen Resch. „Der Bescheid gilt bis August 2023. Das Finanzamt entscheidet nach Recht und Gesetz und nicht aufgrund von Parteitagsbeschlüssen.“

Mehr: Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit für das globalisierungskritischen Netzwerk Attac könnte ein weiteres juristisches Nachspiel haben.

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