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Corona-Pandemie
„Weg aus der Endlos-Einschränkungs-Spirale“: Ampel-Abgeordnete legen Pläne zur Impfpflicht vor

Politiker von SPD, Grünen und FDP streben eine allgemeine Impfpflicht ab Oktober an. Die Union legt andere Pläne vor: Sie will ein nach Altersgruppen gestuftes Verfahren.

11.02.2022| Update: 11.02.2022 - 13:48 Uhr | von Frank Specht

Zutritt nur für Geimpfte © imago images/Bihlmayerfotografie

Berlin Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP sind entschlossen, eine allgemeine Impfpflicht gegen Covid-19 rasch auf den Weg zu bringen. Die siebenköpfige Gruppe um die Gesundheitspolitiker Heike Baehrens (SPD), Janosch Dahmen (Grüne) und die Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr (FDP) hat am Freitag ihren Gesetzentwurf vorgelegt.

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Nach ihren Vorstellungen soll ab dem 1. Oktober eine allgemeine Impfpflicht gelten. Wer dreimal geimpft oder geimpft und von einer Covid-Erkrankung genesen ist, erfüllt die Anforderungen.

Bevor die Impfpflicht greift, ist aber eine umfassende Informationsoffensive geplant. Die Krankenklassen sollen die Versicherten bis Mitte Mai über die Gefahren einer Covid-19-Erkrankung ebenso informieren wie über Impfangebote und die ab Herbst geltende Impfpflicht. Ziel ist eine Ansprache jener Gruppen, die bisher nur schwer erreicht wurden, etwa auch durch mehrsprachige Informationsangebote.

Die Abgeordneten wollen bisher nicht ausreichend geimpften Bürgern so die Gelegenheit geben, bis Oktober drei Impfungen nachzuweisen. Können sie das nicht, soll die zuständige Ordnungsbehörde informiert werden und ein Bußgeldverfahren einleiten. Das Gesetz soll zunächst bis zum Ende nächsten Jahres befristet werden.

„Unser Ziel ist es, endlich nicht mehr hinterherzulaufen, sondern vor die Lage zu kommen“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion Dagmar Schmidt bei der Vorstellung des Entwurfs. Man wolle „einen Weg aus der Endlos-Einschränkungs-Spirale finden“, betonte Helling-Plahr.

Drei Viertel der Bevölkerung haben Covid-Grundschutz

Dem Entwurf zufolge können Ärzte, Apotheker oder die Versicherten selbst den Impfstatus an die Krankenversicherung melden. Kassenchefs wie der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas hatten sich aber bereits skeptisch geäußert, wenn die Kassen jetzt „eine Art Polizeifunktion“ übernehmen sollen.

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SPD-Gesundheitspolitikerin Baehrens betonte aber, dass die Durchsetzung der Nachweispflicht des Impfstatus natürlich den staatlichen Stellen obliege. Die Kassen sollen aber an die Ordnungsbehörden melden, wenn ihnen von Versicherten kein Impfnachweis vorliegt. Für den Mehraufwand sollen sie finanziell entschädigt werden.

Bei Verstößen gegen die Impfpflicht drohten nach dem Infektionsschutzgesetz Bußgelder bis zu 2500 Euro, erläuterte der Grünen-Abgeordnete Till Steffen. Da aber ab einem Bußgeld von 250 Euro eine Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse erforderlich sei, gehe er davon aus, dass sich die Strafe, die im Ermessen der Ordnungsbehörden liege, eher unterhalb dieser Schwelle bewegen werden. Ein Bußgeld könne aber auch mehrfach verhängt werden.

Der Gesetzentwurf sieht eine Ermächtigung für die Bundesregierung vor, Erleichterungen per Verordnung durchzusetzen. Sollte beispielsweise nach wissenschaftlicher Erkenntnis irgendwann eine Impfung ausreichend sein, könne die Regierung das beschließen. Über Verschärfungen, also beispielsweise die Notwendigkeit einer vierten Impfung, könne dagegen nur der Bundestag entscheiden, betonte Dahmen.

Impftempo verlangsamt sich

Zuletzt hat sich das Impftempo in Deutschland verlangsamt. Am Donnerstag wurden 231.000 Dosen verabreicht, deutlich weniger als in den Wochen zuvor an einem Donnerstag, wie aus Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Freitag hervorgeht. Mindestens 45,9 Millionen Bürger oder 55,2 Prozent der Bevölkerung haben eine Auffrischungsimpfung erhalten und erfüllen damit die Kriterien der geplanten Impfpflicht.

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Den Grundschutz, für den meist zwei Spritzen nötig sind, haben 62,1 Millionen Menschen oder 74,7 Prozent der Bevölkerung erhalten. 63,3 Millionen Menschen oder 76,1 Prozent der Bürger sind einmal geimpft.

Union legt Gegenmodell vor

Die Unionsfraktion im Bundestag hat am Freitag einen Antrag vorgestellt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, einen Entwurf für ein sogenanntes Impfvorsorgegesetz zu erarbeiten. „Bei immer wieder neuen, verschieden infektiösen und unterschiedlich gravierenden Virusvarianten sowie bei fortbestehenden deutlichen Impfschutzlücken in der Bevölkerung bedarf es eines vorausschauenden und flexiblen Impfvorsorgekonzepts des Gesetzgebers, um unser Land gegen künftige Pandemiewellen zu wappnen“, heißt es darin.

Ziel ist der rasche Aufbau eines Impfregisters, um überhaupt eine solide Datenbasis über den Impfstatus zu haben und Nicht-Geimpfte gezielt ansprechen zu können. Bei einer neuen Welle soll der Bundestag dann je nach Gefährlichkeit und Übertragbarkeit der Virusvariante und der bis dahin erreichten Impfquote einen Impfmechanismus als Stufenmodell in Gang setzen können.

Demnach sollen zunächst nicht ausreichend geschützte über 60-Jährige geimpft werden, in einer zweiten Stufe dann Personen ab 50. Danach werden Beschäftigte der kritischen Infrastruktur genannt sowie Mitarbeiter in Schulen, Kitas und bei der Polizei.

Sollte der Bedarf bestehen, könne man die verbliebenen Ungeimpften in der Gruppe der über 60-Jährigen innerhalb von drei Tagen zumindest mit einer Erstimpfung versorgen, sagte Unionsfraktionsvize Sepp Müller (CDU).Das Stufenmodell sei weniger einschneidend als eine allgemeine Impfpflicht, die derzeit angesichts der weniger gefährlichen Omikron-Variante verfassungsrechtlich aus ihrer Sicht auch nur schwer durchzusetzen wäre, sagte CSU-Rechtspolitikerin Andrea Lindholz.

Außerdem gibt es einen Antrag von Abgeordneten um Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), auf eine allgemeine Impfpflicht zu verzichten. Eine weitere Parlamentariergruppe macht sich für eine Impfpflicht ab 50 stark, arbeitet aber noch an einem konkreten Gesetzentwurf.

Die Bundestagsabgeordneten sollen dann frei vom Fraktionszwang über die Gruppenanträge abstimmen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr geht davon aus, dass das Parlament bis Ende März entscheiden wird. „Wir werden den Zeitplan einhalten, also am Ende dieses ersten Quartals eine Entscheidung treffen“, sagte Dürr am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“.

Verfassungsgericht winkt Teil-Impfpflicht durch

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte bei seiner Antrittsrede im Bundesrat, angesichts möglicherweise wieder ansteigender Infektionszahlen im kommenden Herbst und Winter „macht auch die allgemeine Impfpflicht Sinn“. Zugleich mahnte er die Länder, die Impfpflicht für das Gesundheits- und Pflegepersonal, die ab Mitte März greift, umzusetzen.

Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht am Freitagvormittag Eilanträge gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgelehnt. Sie kann also bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren in Kraft treten. Grünen-Gesundheitspolitiker Dahmen begrüßte die Nachricht aus Karlsruhe. Jetzt gelte es, die Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal auch bundesweit ab Mitte März umzusetzen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. CDU und CSU müssten in den von ihnen regierten Bundesländern geltendes Recht umsetzen. Das „parteipolitische Hickhack“ der Union habe der Akzeptanz der Impfpflicht in den letzten Tagen schwer geschadet, sagte Dahmen.

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