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Globale Trends
Treibhausgase zu mindern ist eine Frage der Verteilung – nicht der Technik

Die wohlhabendsten zehn Prozent der Menschheit verursachen mehr CO2-Emissionen als die gesamte ärmere Hälfte. Deshalb muss die Strategie zur Minderung bei den Reichen ansetzen.

07.06.2023 | von Thomas Hanke

Emissionen durch Autoverkehr © dpa

Die deutsche Politik streitet über den Klimaschutz, als ginge es nur um deutsche Heizungen und um ein technisches Problem: Wärmepumpe contra Gasheizung, Öko-Zwang versus Technologieoffenheit.

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Dabei reden wir über den menschengemachten Klimawandel. Und Menschen sind für sehr unterschiedliche Mengen an ausgestoßenen Klimagiften verantwortlich, je nachdem, welcher sozioökonomischen Schicht sie angehören.

Auch wenn die Berechnungen noch verfeinert werden müssen – die qualitative Aussage ist klar: Der Weltklimarat (IPCC) schreibt in seinem jüngsten Bericht, dass die obersten zehn Prozent aller Privathaushalte weltweit ein Drittel bis knapp die Hälfte der mit dem Konsum verbundenen Treibhausgase verursachen, während die untere Hälfte lediglich auf 13 bis 15 Prozent kommt.

Der „Global Climate Inequality Report 2023“ berechnet, dass ein Prozent der Menschen an der Spitze mehr verschmutze als die gesamte untere Hälfte der Weltbevölkerung. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, reagiert darauf: „Die Resultate des Berichts sind überzeugend. Die Bekämpfung von Armut würde vergleichsweise geringe zusätzliche Emissionen verursachen, und das größte Potenzial für Einsparungen von CO2-Emissionen liegt bei den zehn Prozent der reichsten Menschen mit den höchsten Emissionen.“

Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt den Zusammenhang zwischen Einkommen und Emissionen von Treibhausgasen: „Alle uns verfügbaren Erkenntnisse sind kompatibel mit den Aussagen des ,Climate Inequality Report 2023‘.“

Einsparungen im Lebensstandard

Das Ministerium verweist auf einen Bericht des Umweltbundesamts zu Wirkungen veränderter Einkommen auf den Ressourcenverbrauch. Nach diesem emittieren Bundesbürger mit einem Monatseinkommen von mehr als 4000 Euro jährlich 7,2 Tonnen CO2-Äquivalent. Das seien sechsmal so viel wie die mit einem Einkommen unter 1500 Euro. Mithilfe der Maßeinheit CO2-Äquivalent lassen sich die Auswirkungen verschiedener Treibhausgase vergleichen.

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Auch in Frankreich zeigt sich dieser Zusammenhang. Die Ökonomen Jean Pisani-Ferry und Selma Mahfouz schreiben in einer im Mai vorgelegten Untersuchung für die französische Regierung, dass „die Emissionen allein der Flugreisen der wohlhabendsten französischen Haushalte im Durchschnitt den Emissionen der ganzen Mobilität der bescheidensten Haushalte“ entsprechen. Das Privileg der einen habe die gleichen Auswirkungen auf das Klima wie das, was für andere zum Existenzminimum gehöre.

Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern um die Frage, wie man effiziente Verhaltensänderungen zu möglich geringen wohlfahrtsmindernden Kosten erreicht. Auf Flüge zu verzichten, einen Geländewagen gegen ein sparsames Auto zu tauschen scheint für viele Menschen ein zumutbares Opfer zu sein.

Das eigene Auto ganz abzuschaffen ist vermutlich wesentlich schwieriger. Und genau die Angst der unteren Mittelschicht, sie müsse ihren bescheidenen Lebensstil noch einschränken, führt sicherlich zur Wut auf den Klimaschutz.

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Globale Trends © Klawe Rzeczy

Will die Menschheit den Anstieg der weltweiten Temperatur unter zwei Grad halten, um Katastrophen und nur schwer zu bewältigende Fluchtbewegungen zu verhindern, dann dürfen in den Jahren bis 2050 pro Kopf der Weltbevölkerung nicht mehr als 1,9 Tonnen CO2-Äquivalent jährlich ausgestoßen werden. Wer mehr verursacht, lebt auf Kosten der anderen. Dies ergibt sich aus den IPCC-Berechnungen.

Ungleichheit beim Einkommen ist vertretbar, weil sie in der Regel eine höhere Produktivität entlohnt. Wer produktiver ist, leistet meist einen größeren Beitrag zum Wohlstand. Dagegen lässt sich nicht behaupten, dass jemand mit besonders hohen Emissionen mehr für den allgemeinen Lebensstandard bewirkt. Das Gegenteil stimmt.

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