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Gastbeitrag
Der Staat darf in der Coronakrise nicht überfordert werden

Es ist richtig, dass der Staat in beispiellosem Ausmaß stützt. Er wird aber nicht jeden so stellen können, als wäre die Krise nicht eingetreten.

24.06.2020 | von Reinhold Hilbers

Reinhold Hilbers

Es steht außer Frage, dass der Staat in der gegenwärtigen Krise entschlossen handeln muss, um seine Bürger zu schützen. Dies gilt in erster Linie für die Gesundheit aller, aber auch für den Schutz von Arbeitsplätzen und Einkommen. Wir erleben gerade den heftigsten Wirtschaftseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg.

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In dieser Situation muss der Staat alle Maßnahmen ergreifen und finanzieren, die eine schnelle Erholung der Wirtschaft und der Gesellschaft nach der Krise ermöglichen. Ziel ist es, die Strukturen zu erhalten. Dafür haben wir auf allen staatlichen Ebenen Kreditprogramme und Zuschüsse in einer atemberaubenden Größenordnung beschlossen. Das war und ist zweifelsohne erforderlich.

Doch so richtig es ist, dass der Staat in unverschuldeten Krisensituationen hilft, so richtig bleibt es, dass er grundsätzlich nicht für alles zuständig ist. Die jetzt von Teilen der Politik gegebenen Versprechen, für alle werde gesorgt, sind irreführend und führen zu stetig ansteigenden Forderungen.

Trotz aller Hilfsmaßnahmen werden viele von uns Einschränkungen hinnehmen müssen und wahrscheinlich auch etwas verlieren. Aufgabe des Staates ist es, wirtschaftliche und soziale Härten so gut wie möglich abzufedern. Er wird aber nicht jeden so stellen können, als wäre die Krise nicht eingetreten.

Eine Vermögensabgabe wäre kontraproduktiv

Der niedrige Schuldenstand und die gute Haushaltslage, die wir bei Ausbruch der Pandemie hatten, ermöglichen uns jetzt, Unternehmen und Bürgern umfassend zu helfen.

Die Staatshaushalte dürfen aber nicht länger als nötig ausgedehnt und die Neuverschuldung muss wieder gezielt abgebaut werden. Vorerst werden unsere Handlungsspielräume jedoch stark eingeschränkt sein, was auch bedeutet, dass wir uns eine Zeit lang weniger werden leisten können. Insofern sollten alle Vorschläge für Hilfsmaßnahmen auch den Hinweis beinhalten, wer und wie dies bezahlt werden soll. Denn letztlich werden die Steuerzahler die Rechnung zahlen.

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Reflexartig nach neuen Einnahmequellen zu rufen halte ich für verfehlt. Eine Vermögensabgabe zur Finanzierung der Coronalasten würde viele Familienunternehmen und den Mittelstand belasten, die derzeit ohnehin schon höhere Schulden anhäufen müssen. Dies würde Investitionen erschweren und Arbeitsplätze gefährden.

Die Wirtschaft wird nicht nur durch Konjunkturprogramme auf der Nachfrageseite belebt. Sie sollte Anreize erhalten durch eine Senkung der Faktorkosten, durch die Entlastung von staatlichen Abgaben und Bürokratie. Das von der Bundesregierung vorgestellte Konjunkturprogramm enthält viele gute Ansätze, die helfen werden, die Krise zu überwinden.

Dabei begrüße ich ausdrücklich steuerpolitische Maßnahmen wie die Verbesserung des Verlustrücktrags, die degressive Abschreibung und eine Modifikation der Körperschaftsteuer. Ich hätte mir jedoch gewünscht, dass wir die Chance für eine grundlegende Unternehmensteuerreform mit einer maximalen Besteuerung der Unternehmen in Höhe von 25 Prozent genutzt hätten.

Verantwortung und Risiko gehören zusammen

Wir müssen darauf achten, in der aktuellen Krise wirklich diejenigen zu unterstützen, die Hilfe benötigen. Das Außerkraftsetzen von Prinzipien und Regeln muss auf Krisenzeiten beschränkt bleiben. Dies gilt insbesondere für den Grundsatz, dass Verantwortlichkeit und Risiko in einer Hand liegen müssen.

Dass dieser derzeit durch die staatlichen Hilfen durchbrochen wird, ist richtig, da die Unternehmen unverschuldet in Schwierigkeiten geraten sind. Wir müssen aber aufpassen, dass daraus kein Einfallstor für dauerhafte staatliche Haftungen wird.

Langfristig braucht es nicht mehr staatlichen Einfluss, sondern Rahmenbedingungen, die Unternehmen und Bürgern Raum für Innovationen und Eigeninitiativen geben. Konjunkturprogramme erzielen in der Regel keine Langzeitwirkung. Ein Abbau von Regulierung und Bürokratie hingegen ist wirkungsvoller. Wir sollten den Marktkräften mehr vertrauen und mehr unternehmerische Freiheit erlauben, die natürlich Hand in Hand mit unternehmerischer Verantwortung gehen muss.

Durch den Abbau von Regulierung können staatliche Investitionen, die für die Unternehmen bedeutsam sind, schneller umgesetzt werden und zügig Wirkung zeigen. Wie notwendig das ist, wird anschaulich durch die bereits heute nicht abgerufenen Bundesmittel für kommunale Förderprogramme belegt.

Nicht nur die Politik, auch die Wirtschaft muss aus der aktuellen Situation Lehren ziehen und Strategien entwickeln, um im Falle einer erneuten Krise besser vorbereitet zu sein. Dies wird sie nur tun, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Staat erneut allen Unternehmen nahezu unterschiedslos helfen wird und wenn sich Eigenverantwortung und Vorsorge auch auszahlen.

Der Autor ist Niedersächsischer Finanzminister und gehört als CDU-Abgeordneter dem Landtag von Niedersachsen an.

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