ABO
Anzeige

Frauen in Führungspositionen
„Viele LinkedIn-Profile sind austauschbar“: Zwei Expertinnen wollen das Image deutscher Vorständinnen aufpolieren

Diversity-Expertin Tijen Onaran gründet eine Beratung für Topmanagerinnen, gemeinsam mit einer Ex-Springer-Managerin. Braucht es das – und wenn ja, warum?

24.08.2022 | von Julia Beil

Tijen Onaran und Kristina Faßler

Berlin Wer selbst keine Erfahrung hat, kann andere schlecht beraten – so weit, so logisch. Wie also kann es sein, dass die meisten Kommunikationsberater in Deutschland selbst nicht auf Kanälen wie LinkedIn oder Twitter aktiv sind? Eine Frage, die sich Tijen Onaran schon oft gestellt hat.

Anzeige

Die 37-Jährige ist beides: öffentliche Person mit großer Reichweite – und Kommunikationsberaterin. Seit Jahren setzt sich die Unternehmerin für mehr Diversität in der deutschen Wirtschaft ein, im Karrierenetzwerk LinkedIn folgen ihr 116.000 Menschen. Onaran hat bereits Topmanagerinnen wie die Deutsche-Bahn-Vorständin Sigrid Nikutta beraten. Sie wundert sich darüber, dass es in der Beraterszene nicht mehr Menschen wie sie gibt. Frauen, die selbst in der Öffentlichkeit stehen.

Um daran etwas zu ändern, will Onaran nun eine Kommunikations- und Positionierungsberatung für deutsche Vorständinnen, Aufsichtsrätinnen und weibliche CEOs gründen – gemeinsam mit Kristina Faßler, Marketing- und PR-Expertin und ehemalige Managerin bei Axel Springer. Der Fokus soll dabei auf LinkedIn liegen.

Die beiden wollen nicht nur für mehr Diversität auf Beraterseite sorgen, sondern vor allem ihre potenziellen Kundinnen zu mehr Selbstbewusstsein in Sachen öffentliche Positionierung animieren.

„Vielen Topmanagerinnen fällt es noch immer schwer, sich authentisch zu zeigen, aus Angst, sich angreifbar zu machen“, sagt Onaran. Als Frauen, die selbst in der Öffentlichkeit stehen, seien sie und Kristina Faßler prädestiniert dafür, ihnen diese Angst zu nehmen.

Praxiserfahrung hilft bei der Beratung von Frauen im Topmanagement

Doch hilft die Praxiserfahrung wirklich so sehr, wenn man Menschen beraten will? Felix Beilharz, Social-Media-Experte, ist sich da ganz sicher. „Als jemand, der selbst kein LinkedIn nutzt, wirst du es niemandem erfolgreich beibringen können“, sagt er und fügt hinzu: „Hinter allen Marken, die auf Social Media erfolgreich sind, stehen Leute, die selbst dort aktiv sind.“

Anzeige
Weiterlesen...

Beilharz ist überzeugt: Es gibt einen wachsenden Markt für Beratungen wie die, die Tijen Onaran und Kristina Faßler aufbauen möchten. Eine Beratung, die sich ausschließlich auf Frauen aus dem Topmanagement konzentriere, lasse sich zudem besser vermarkten als ein Unternehmen, das sich an beide Geschlechter gleichermaßen richte. „Hier stimmt die Geschichte hinter der Gründung“, so der Experte.

Doch was genau bemängeln Onaran und Faßler eigentlich am öffentlichen Auftreten deutscher Managerinnen? Onaran kritisiert: „Als Follower versteht man häufig nicht: Wofür steht diese Person?“

Oft sehe sie „punktuell“ gute Inhalte – etwa Studien oder Unternehmenszahlen, die geteilt würden. „Aber das ist in der Regel alles von einer PR-Abteilung vorbereitet, fein geschliffen – und damit austauschbar.“

Eine Ansicht, die Social-Media-Experte Felix Beilharz teilt. „Es ist ein großes Problem, dass viele CEO-Accounts von PR-Abteilungen und nicht von der Person selbst bespielt werden“, sagt er. So werde den Followern eine Nähe vorgegaukelt, die nicht gegeben sei. „Ich finde, Kommunikationsabteilungen sollten nach Möglichkeit die Finger von CEO-Accounts lassen.“

Weiterlesen...

Das Problem: Gerade Managerinnen haben noch immer größere Hemmungen als Männer, sich in der Öffentlichkeit authentisch zu zeigen. Das sagt zumindest Onarans Geschäftspartnerin Kristina Faßler. „Und das liegt auch daran, dass Führungsfrauen noch immer mit anderen Maßstäben gemessen werden als Männer.“

Was Faßler sagt, lässt sich durch Studien belegen, etwa durch eine Untersuchung der Kommunikationsberatung Hering Schuppener (heute Finsbury Glover Hering) aus dem Jahr 2020. Die Autoren analysierten dafür 850 Artikel aus der deutschen Presse. Ein Ergebnis: Das Aussehen weiblicher Führungskräfte nahm darin ein Drittel mehr Raum ein als das von männlichen Chefs.

Das dürfe nicht dazu führen, dass Topmanagerinnen sich vor der Öffentlichkeit verstecken, findet Tijen Onaran – doch viele von ihnen täten genau das, wie ein Blick auf ihre LinkedIn-Accounts zeige. „Viele Profile sind Karteileichen“, sagt die Beraterin.

Frauen in Führung werden stärker nach Äußerlichkeiten bewertet

Um den „Check“ zu machen, wie aktiv jemand in dem Netzwerk sei, sieht Onaran sich gern die jüngsten Aktivitäten der betreffenden Frau an. „Oft sehe ich dann, dass die Person zuletzt vor drei Monaten irgendwo ein ,Like‘ verteilt hat – ein schlechtes Zeichen.“

Mit ihrer Gründung verfolgen Faßler und Onaran zwar das gemeinsame Ziel, Topmanagerinnen sichtbarer und selbstbewusster zu machen – ihren jeweiligen Fokus legen beide dabei etwas anders. „Ich wünsche mir, dass es Tijen und mir gelingt, für mehr sichtbare Meinungsdiversität in der deutschen Wirtschaft zu sorgen“, sagt Kristina Faßler.

Tijen Onarans Mission klingt zahlengetriebener: „Ich arbeite darauf hin, dass Frauen in den Rankings deutscher Top-Influencer bald in der Mehrheit sind“, sagt sie. Es nerve, dass jene Listen fast immer nur aus Männern bestünden.

Weiterlesen...

Anzeige
ICO/Audio-Play@1,5x stop „@1x