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Fintech
Erneut Ärger bei N26: Smartphone-Bank kündigt zahlreiche Konten fristlos

Die Neobank begründet den Schritt mit verletzten Geschäftsbedingungen – ohne ins Detail zu gehen. Verbraucherschützer üben scharfe Kritik am Vorgehen.

19.04.2022 | von Dennis Schwarz und Yasmin Osman

N26 © Reuters

Frankfurt Dem wertvollsten deutschen Fintech droht neuer Ärger: Kunden sind empört, weil ihnen abrupt das N26-Konto gekündigt wurde. Keine Überweisungen, keine Bargeldabhebung: Dem Handelsblatt sind 40 Fälle von in Deutschland ansässigen Nutzern bekannt, die seit dem vergangenen Donnerstag keinen Zugang mehr zu ihrem Konto haben. Auf Twitter finden sich zudem zahlreiche Beschwerden von Kunden aus Frankreich und Italien.

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Kunden haben das gleiche Schreiben der Onlinebank erhalten, in dem heißt es: N26 habe auf dem betreffenden Konto einen Verstoß gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen festgestellt. „Daher erklären wir die außerordentliche Kündigung deines N26-Kontos.“

Die Kündigung erfolge gemäß den „Grundregeln für das Verhältnis zwischen Kunde und Bank“. Die Kündigung trete mit sofortiger Wirkung in Kraft.

Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kritisiert: „N26 bezieht sich in dem Kündigungsschreiben auf einen Verstoß gegen allgemeine Geschäftsbedingungen, informiert aber nicht darüber, welcher konkrete Verstoß den Kunden vorgeworfen wird.“

Eine fristlose Kündigung gemäß den genannten AGB sei nur aus wichtigem Grund möglich. „Bei einer Vertragsverletzung muss die Bank ihren Kunden gemäß ihren eigenen AGB eine Frist zur Abhilfe einräumen“, sagte Nauhauser.

In der Tat findet sich in den Geschäftsbedingungen der Bank ein 14-seitiges Dokument zu dem Thema „Grundregeln für die Beziehung zwischen Kunde und Bank“. Demnach ist eine Kündigung „aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist“ nur aus drei Gründen zulässig: wenn der Kunde falsche Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse eintritt oder einzutreten droht oder wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt.

Unter den Betroffenen ist auch Alex K.*. Er ist seit anderthalb Jahren Kunde bei N26. Noch am Donnerstagmorgen habe er mit seinem Account ein Sandwich gekauft, berichtet er. Am Nachmittag konnte er dann nicht mehr auf sein Konto zugreifen.

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Nachweis über Herkunft der Gelder angefordert

Von einigen Kunden, die sich noch in ihr Konto einloggen konnten, heißt es sogar, dass N26 den gesamten Betrag vom Konto abgehoben habe. So auch bei Lars P.*. Am Freitag sei sein gesamtes Geld von N26 von seinem Konto abgebucht worden. Heute erhielt er dann eine Nachricht der Smartphone-Bank: Sein aktuelles Guthaben reiche nicht aus, um die anstehende Abbuchung zu decken.

Natürlich muss P. seine laufenden Kosten weiter bezahlen, doch auf seinem Konto ist durch die N26-Abbuchung nun kein Geld mehr. Wenn die Transaktion abgelehnt werde, werde ihm eine Gebühr berechnet, heißt es in der Nachricht von N26 weiter. Und wenn das Konto dann ins Minus fällt, würden auch noch Überziehungszinsen fällig. Wohin das abgebuchte Geld genau transferiert wurde, ist unklar.

Auf Anfrage des Handelsblatts teilte N26 mit: „Es kommt gelegentlich vor, dass wir Konten einfrieren oder schließen müssen, wenn wir ungewöhnliche Aktivitäten feststellen oder unsere Geschäftsbedingungen verletzt werden. Zu den konkreten Hintergründen von Schließungen könnten sie sich nicht äußern. In den seltenen Fällen, in denen sie Konten schließen, informierten sie die jeweiligen Kunden allerdings direkt. Nur sehr wenige Konten seien hiervon betroffen, erklärte die Smartphone-Bank.

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In ihrem Schreiben zumindest an einige Kunden teilt die Neobank zudem mit, dass es derzeit nicht möglich sei, das restliche Kontoguthaben auszuzahlen. „Bitte sende uns einen Nachweis über die Herkunft der Gelder durch entsprechende Belege.“ Danach werde die Bank die Auszahlung des Restguthabens „erneut überprüfen“.

Die Formulierungen legen nahe, dass die Massenkündigungen mit dem Versuch von N26 zusammenhängen, bessere Geldwäschekontrollen zu installieren. Denn ein Herkunftsnachweis für Geld wird üblicherweise im Zusammenhang mit Geldwäsche und betrügerischen Kontoaktivitäten verlangt.

„Der identische Zeitpunkt, die Häufung der Fälle auch unter teils langjährigen Kundenbeziehungen deuten darauf hin, dass die Kündigungsaktion nicht auf eine routinemäßige Überprüfung zurückzuführen ist“, sagt auch Nauhauser.

Bafin nimmt N26 an die kurze Leine

N26 hatte in den vergangenen zwei Jahren offenbar massive Probleme mit Konten, über die Kriminelle ihre illegal erlangten Gelder ins Ausland schleusen konnten. Im vergangenen Sommer berichtete das Handelsblatt über eine Liste von beinahe 1600 Konten der Neobank, die zwischen Mai 2019 und Juli 2021 eröffnet wurden und im Internet anscheinend für Fake Shops oder betrügerische Ebay-Konten eingesetzt wurden. Offenbar hatte N26 lange damit zu kämpfen, neue Kunden korrekt zu identifizieren.

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hatte daraufhin das Neukundenwachstum von N26 gedeckelt, die italienische Aufsicht hatte im März sogar einen Neukundenstopp ausgesprochen. Gelockert werden diese Einschränkungen erst, wenn das Fintech Fortschritte bei der Geldwäscheprävention vorweisen kann.

N26 steht somit unter dem Druck, seine aufsichtsrechtlichen Probleme schnell zu lösen, um wieder zu wachsen. Das Unternehmen hatte in den vergangenen Monaten erheblich in bessere Sicherheitsprozesse investiert und Personal dafür eingestellt.

Die Formulierungen aus dem Kundenschreiben könnten ein Indiz dafür sein, dass N26 nun zur Lösung seiner Probleme sehr breitflächig seinen Kundenbestand nach potenziell verdächtigen Konten durchsucht und lieber eine Kündigung zu viel ausspricht.

„Wir raten den Betroffenen, die Bank dazu aufzufordern, die konkrete Anspruchsgrundlage für die Kündigung und die behauptete Pflichtverletzung zu nennen“, sagt Nauhauser. Stelle sich die Kündigung als unberechtigt heraus, bestehen möglicherweise sogar Schadensersatzansprüche. In diesem Fall sollten Betroffene die entstandenen Schäden dokumentieren, so Nauhauser.

*Name geändert

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