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Finanzberatung
Finanzbranche fürchtet Provisionsverbot – „Kommission zieht ganzer Branche den Stecker“

Die EU-Kommission prüft, Provisionen für Finanzberater durch ein Honorarmodell zu ersetzen. Die Branche warnt vor einer „Servicewüste“, Verbraucherschützer hingegen sehen Vorteile.

03.01.2023 | von Carsten Volkery

Skyline von Frankfurt © dpa

Brüssel Mit Bangen blicken deutsche Banken und Versicherungen auf die Kleinanlegerstrategie der EU-Kommission, die im ersten Quartal erwartet wird. Denn die Hinweise häufen sich, dass die Brüsseler Behörde die provisionsbasierte Finanzberatung verbieten könnte. In Deutschland würde dies eine radikale Änderung des Geschäftsmodells für rund 300.000 Anlageberater bedeuten.

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Branchenverbände in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Spanien laufen gegen die Pläne Sturm. „Wenn das Provisionsverbot kommt, zieht die Kommission damit einer ganzen Branche den Stecker“, sagt Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Vermögensberater. 95 Prozent der Berater würden ihren Job aufgeben, den Kunden drohe eine „Servicewüste“ mit Telefon-Hotlines statt persönlichen Ansprechpartnern.

Bei der Anlageberatung gibt es im Wesentlichen zwei Vergütungsmodelle: Wenn ein Kunde ein Fondsprodukt oder eine Versicherungspolice kauft, kassiert der Kundenberater in den meisten europäischen Ländern eine Provision, also einen bestimmten Prozentsatz der Vertragssumme. Diese wird allerdings nicht sofort fällig, sondern wird über die Laufzeit des Vertrags in Raten bezahlt.

In den Niederlanden und Großbritannien hingegen wurden Provisionen vor einigen Jahren abgeschafft und durch pauschale Honorare ersetzt. Dies wurde damit begründet, dass Provisionen Fehlanreize setzen, weil sie den Berater für den Verkauf möglichst teurer Produkte belohnen. Honorare hingegen sollen eine unabhängige Beratung im Sinne des Kunden sicherstellen.

EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness scheint nun entschlossen, das Honorarmodell europaweit vorzuschreiben. Das zumindest legt ein Brief nahe, den die Irin kurz vor Weihnachten an den CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber schrieb. Darin weist sie Punkt für Punkt alle Bedenken gegen ein Provisionsverbot zurück.

McGuinness schrieb, das provisionsbasierte Modell liefere möglicherweise nicht die beste Leistung für Kleinanleger. Denn ihnen würden Produkte verkauft, die einer Studie zufolge im Schnitt 35 Prozent teurer seien als andere Angebote. In den Niederlanden und Großbritannien seien die Kosten für Finanzprodukte gefallen, nachdem Provisionen verboten wurden.

McGuinness für unabhängige Finanzberatung  

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Die Kommissarin wies auch darauf hin, dass die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid 2 nicht wie ursprünglich erhofft zu einem Anstieg der unabhängigen Anlageberatung geführt habe. Das Gesetz ist seit 2018 in Kraft und schreibt mehr Transparenz für Anlageberater vor, hat aber an der Dominanz des Provisionsmodells nichts geändert.

McGuinness betonte, da Kleinanleger nur begrenzte Summen zur Verfügung hätten, sei es besonders wichtig, dass sie von günstigen Produkten und unabhängiger Beratung profitierten. Ein Provisionsverbot könne „Innovation und Wettbewerb“ fördern.

Der Brief wurde in der Finanzbranche als Kampfansage gewertet. McGuinness gab damit der alten Debatte um ein Provisionsverbot neuen Schwung – und positionierte sich klar im Lager der Verbraucherschützer.

Mairead McGuinness © Reuters

„Wir beobachten seit Jahren, dass Verbraucher schlecht beraten werden, weil Provisionen Fehlanreize setzen“, sagt Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband. „Der Berater wird bezahlt, wenn es zu einem Vertragsabschluss kommt. Er hat einen Anreiz, immer das Produkt mit der höchsten Provision zu verkaufen. Das Interesse der Verbraucher ist zweitrangig.“

Ähnlich argumentiert Britta Langenberg vom Verein Finanzwende. Eine gute Beratung könne dazu führen, dass der Berater dem Kunden sage, dieser brauche das Produkt nicht, erklärt sie. Das passiere bei Banken und Versicherungen aber nicht, denn „die Mitarbeiter sind eben keine Berater, sondern Verkäufer“.

Vermögensberater: Keine Beweise für „Mis-Selling“

Branchenvertreter weisen die Kritik entschieden zurück. „Verbraucherschützer führen immer nur Einzelfälle an, in denen ein Berater angeblich jemandem ein falsches Produkt verkauft hat“, sagt Verbandspräsident Lach. Angesichts der vielen Hunderttausend Beratungsgespräche täglich allein in Deutschland sei die Anzahl solcher Fälle jedoch „homöopathisch“. Weder die EU-Kommission noch Verbraucherzentralen noch die Aufsicht hätten jemals flächendeckendes „Mis-Selling“ nachweisen können.

Wiebke Schwarz vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband gibt zu bedenken, dass Provisionen die Beratung für alle Bevölkerungsgruppen möglich machten. Denn wenn jemand nur eine kleine Summe anlegt, zahlt er weniger Provision als jemand, der ein großes Vermögen investiert. Es findet also eine gewisse Quersubventionierung statt. Das Modell sei „sozial, fair und hat sich in der Praxis bewährt“, sagt Schwarz.

Eine Umstellung auf feste Honorare könne hingegen den Effekt haben, dass viele Verbraucher sich nicht mehr beraten ließen, weil ihnen die Eintrittshürden zu hoch wären, so Schwarz. Denn Honorare werden in der Regel sofort fällig.

Provisionsverbot hätte weitreichende Folgen

Welches Lager den Kampf auf EU-Ebene für sich entscheidet, ist noch unklar. Sollte McGuinness tatsächlich ein Provisionsverbot vorschlagen, würde sie sich mit mächtigen Verbänden in den größten EU-Ländern anlegen. 

Die Bundesregierung tut sich noch schwer damit, eine Position zu finden, denn Grüne und FDP vertreten in der Frage unterschiedliche Lager. Verbraucherschützerin Mohn meint, die Ampelregierung werde sich nie für ein Provisionsverbot einsetzen, weil sie zu stark von der Finanzbranche beeinflusst werde. Deshalb komme es jetzt auf Brüssel an.

In einem sind sich Branchenverbände und Verbraucherschützer einig: Ein Provisionsverbot hätte weitreichende Folgen. „Das System der Provisionen hat dazu geführt, dass die Vertriebsapparate in Deutschland überdimensioniert sind“, sagt Langenberg vom Verein Finanzwende. Den 300.000 Anlageberatern von Banken und Versicherungen stünden 300 unabhängige Berater gegenüber. Mit einem Provisionsverbot würde sich dieses Verhältnis mittelfristig verschieben.

Lach schätzt, dass bei einer Umstellung auf Honorare nur fünf Prozent der Berater weitermachen würden. Gerade bei Kleinanlegern wären Honorare nicht kostendeckend, das zeige das Beispiel Großbritannien. Bei Banken und Sparkassen würde sich das Filialsterben weiter beschleunigen, denn „die Filialen finanzieren ihre Kosten zu einem deutlich zweistelligen Prozentsatz aus Provisionserlösen“, sagt er.

Auch dieses Argument scheint bei McGuinness jedoch keinen Eindruck zu machen. Das Filialsterben sei eine Folge der Digitalisierung, schrieb sie in ihrem Brief. „Die Kosten für die Aufrechterhaltung von Filialen sollten nicht von Kleinanlegern getragen werden.“

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