Minuszinsen ING Deutschland stellt Privatkunden Ende der Verwahrentgelte in Aussicht
Das Ende der Minuszinspolitik der EZB rückt näher. Die ersten Banken versprechen, diesen Vorteil zügig an ihre Kunden weiterzugeben.
17.02.2022 | von Michael Maisch und Dennis Schwarz
ING-Deutschland-Chef Nick Jue © dpa
Frankfurt Eine der größten deutschen Privatkundenbanken beschließt einen Fahrplan zum Ende der sogenannten Verwahrentgelte: „Sobald die Europäische Zentralbank sich von ihrer Minuszinspolitik verabschiedet, werden wir keine Verwahrentgelte für Privatkunden mehr erheben“, kündigte Nick Jue, Vorstandschef der ING Deutschland im Gespräch mit dem Handelsblatt an. „Das ist ein Versprechen“, betonte der Banker.
Seit Jahren fordert die EZB Strafzinsen von den Banken, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Derzeit liegt dieser Einlagensatz bei minus 0,5 Prozent. Jue geht davon aus, dass die EZB ihre Geldpolitik so straffen wird, dass der Einlagensatz Anfang des kommenden Jahres die Nullgrenze erreichen wird.
Zunächst werde die Notenbank ihr Anleihekaufprogramm zurückfahren, die erste Zinserhöhung könnte dann nach Einschätzung der ING-Volkswirte im vierten Quartal 2022 erfolgen. Im ersten Quartal 2023 könnten dieser Prognose zufolge die Minuszinsen für Banken der Vergangenheit angehören. „Das wäre dann der Zeitpunkt, an dem wir die Verwahrentgelte für unsere Kunden streichen würden“, erläuterte Jue.
Bislang haben sich nur wenige Banken so eindeutig zu einem Ende der Minuszinsen bekannt. In einer Handelsblatt-Umfrage vor wenigen Tagen hatten nur sechs von 20 deutschen Instituten klar gesagt, dass sie die Verwahrentgelte aufgeben, sobald die EZB ihre Minuszinspolitik beendet.
Alle sechs Institute stammten aus dem Sparkassen- und Genossenschaftslager. Auch die Deutschlandtochter der niederländischen Großbank ING hatte zunächst „keine konkreten Pläne“ für eine Anpassung ihrer Verwahrentgelte, aber das hat sich in den vergangenen Tagen geändert.
>> Lesen Sie hier: Nur wenige Banken kündigen das Ende der Minuszinsen klar an
Mittlerweile berechnen 433 Banken und Sparkassen Negativzinsen auf Tagesgeld- und Girokonten, wie das Vergleichsportal Verivox mit Blick auf die Preisaushänge ermittelt hat. Das entspricht einem Drittel der untersuchten Banken und Sparkassen.
Tatsächlich dürften es noch deutlich mehr Kreditinstitute sein, weil nicht alle Bankenkonditionen im Internet frei zugänglich veröffentlicht werden. Meist greifen die Minuszinsen oberhalb eines Freibetrags von 100.000 oder 50.000 Euro, mitunter auch schon ab 10.000 Euro.
Derzeit bittet die ING Deutschland ihre Kunden, bis Ende Februar den neuen Geschäftsbedingungen zuzustimmen. Dazu gehört auch ein Verwahrentgelt für Guthaben von über 50.000 Euro. „Die überwiegende Mehrheit der Kunden hat bereits zugestimmt“, betonte Jue. Den Rest will die Bank bis Ende des Monats noch überzeugen. Ziel sei es, sich von möglichst wenigen Kunden verabschieden zu müssen, betonte Jue.
Rückzug aus Österreich kompensiert
Mitte 2020 hatte die ING Deutschland ihre Strategie geändert und das Ziel, zehn Millionen Kunden zu erreichen, vorerst verworfen. Stattdessen wollte die größte deutsche Direktbank mehr Hausbank-Kunden für sich gewinnen und so den Ertrag je Kunde steigern. Zu Hausbank-Kunden zählen Kunden, die neben dem Girokonto noch mindestens ein weiteres Produkt nutzen.
Die Zahl der Hausbank-Kunden in Deutschland stieg der ING zufolge im vergangenen Jahr netto um etwa 158.000. Der Anteil der insgesamt 2,26 Millionen Hausbank-Kunden an der Gesamtkundenzahl belief sich damit auf fast 25 Prozent.
Die Zahl der Privatkunden verringerte sich 2021 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 4,6 Prozent auf 9,09 Millionen Privatkunden. Doch bereinigt um den Wegfall des ING-Privatkundengeschäfts in Österreich blieb unterm Strich Angaben der Bank zufolge ein Nettokundenzuwachs in Deutschland von etwa 131.000.